SPD
Ortsverein Eickel
Landesdelegiertenkonferenz der NRW-SPD
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Genossinnen und Genossen,
es ist erst knapp sieben Wochen her, dass uns Berichte und Bilder erreicht haben von der schlimmsten Naturkatastrophe der jüngeren Geschichte. Sie geschah in weit entfernten Ländern, aber das Leid und der Schrecken sind uns nahe gegangen, als sei unsere Nachbarschaft verwüstet.
Was sich überhaupt in Worte fassen ließ, ist nach dem 26. Dezember gesagt worden. Und was irgend getan werden konnte, ist getan worden und wird weiter getan werden.
Noch ist viel zu wenig Zeit vergangen, um die tiefen Wunden zu heilen. Aber ich denke, mit etwas Abstand stellen wir fest, dass dieses Seebeben, das die Riesenwellen auslöste, auch unser Weltbild ins Wanken brachte, vielleicht sogar korrigierte.
Wir haben wie nie zuvor gefühlt, was es heißt, in einer Welt zu leben. Wir haben erfahren, dass Globalisierung nicht nur das weltweite Rotieren von Kapital, Waren und Informationen bedeutet, sondern dass Globalisierung auch grenzenlose Solidarität erfordert - und möglich macht. Wir haben ein Gefühl bekommen dafür, dass es eine Globalität der Mitmenschlichkeit geben kann und geben muss.
Uns ist auch ein Maßstab aufgezeigt worden. Ein Maßstab, der uns helfen kann, das wirklich Wertvolle und Wichtige vom Nachrangigen zu unterscheiden. Ein Maßstab, der uns helfen kann, die Verhältnismäßigkeit der eigenen Probleme besser zu erkennen. Der den Blick über den eigenen Bauchnabel erweitert und die Tonlage des Klagens mäßigt.
Und noch etwas: Die fürchterlichen Riesenwellen belehrten auch jene, die
dem Menschen und seiner Technik zutrauen, die Natur zu beherrschen.
Was für ein Irrtum!
Welch ein Hochmut!
Wir wissen wieder, was immer wahr gewesen ist: Dass wir Menschen die Schöpfung nicht beherrschen und nie beherrschen werden. Dass es Kräfte gibt, die stärker sind als wir, die uns Bescheidenheit und gelegentlich auch ein angebrachtes Maß an Demut lehren. Die Natur muss nicht mit uns leben. Wohl aber wir mit ihr.
Aber das unendliche Leid hat uns auch gezeigt, dass wir nicht ohnmächtig sind und nicht ganz ohne Antworten. Dass wir dem Leid anderer Menschen unser Mitgefühl und der Not unsere tätige Solidarität entgegenstellen können.
Was wirklich zählt, das haben wir auf traurige Weise neu gelernt, sind nicht allein Wirtschaft und Wachstum. Was die Menschen zusammenhält in dieser einen Welt, ist Mitmenschlichkeit.
Wir hatten vor Weihnachten eine Debatte darüber, ob wir Deutschen nicht etwas mehr von dem brauchen, was Patriotismus genannt wurde, und darüber, was ein deutscher Patriotismus denn überhaupt sein könnte.
Ich will diese verquere und ablenkende Debatte hier nicht fortführen. Aber doch eine Bemerkung hinzufügen: Ich bin froh und auch stolz, Bürger eines Landes zu sein, das sich in so mitfühlender und großherziger Weise bereit und fähig gezeigt hat, die Not anderer zu lindern.
Genossinnen und Genossen,
wir wollen heute und morgen darüber sprechen, mit welchen Inhalten und mit welchen Personen wir in den bevorstehenden Wahlkampf ziehen werden.
Wir sind mitten in den Vorbereitungen, und wenn es überhaupt noch eines Beweises bedarf, wie generalstabsmäßig unser Generalsekretär und seine Leute unsere Sache planen, dann lasst Euch daran erinnern: Wenn wir morgen unseren Parteitag beenden, sind es noch genau einhundert Tage bis zum Wahltag am 22. Mai. Bravo, Mike, besser kann man das nicht terminieren.
Hundert Tage vor dem 22. Mai ist Zuversicht begründet: Wir können diese Wahl gewinnen.
Die NRWSPD kann wieder das werden, was sie zu recht immer war: Die Nr. 1 in NRW.
Wir können deshalb wieder die Stärksten werden, weil wir die besseren Ideen haben. Weil wir auch die besseren Leute haben. Und weil wir unser Land und seine Menschen besser kennen und verstehen als die Anderen.
Wir können gewinnen, weil wir geschlossen sind im Land und im Bund. Weil wir mit Franz Müntefering und Gerhard Schröder an einem Strang ziehen.
Es stimmt, Genossinnen und Genossen, wir sind gut in Fahrt. Wir sind auf der Überholspur. Aber - und lasst uns das nicht übersehen - noch haben wir die Anderen nicht abgehängt. Noch sind die Anderen neben uns - und zwar rechts neben uns, versteht sich.
Bei denen sitzt zwar einer am Steuer, der nicht geradeaus fahren kann und bei dem das Navigationssystem überhaupt nicht funktioniert. Aber eins lernt schon jedes Kind im Verkehrsunterricht: Die schlechten Fahrer sind unkalkulierbar und rempeln aus Unsicherheit.
Mir ist das sehr, sehr ernst, Freunde. Wir müssen höllisch aufpassen. Wir müssen noch zulegen und wir müssen kämpfen, kämpfen und nochmals kämpfen. Das gilt für heute, für morgen und an jedem neuen Tag bis zum Wahltag um 18 Uhr.
In den nächsten einhundert Tagen muss uns eines immer klar sein: Wir können gewinnen, aber vor dem 22. Mai ist nichts, aber auch gar nichts gewonnen.
Genossinnen und Genossen,
wir Sozialdemokraten haben eine schwere Zeit hinter uns. Wir haben hart gerungen um den richtigen Weg. Wir haben miteinander gestritten und auch aneinander gelitten. Manchmal so sehr, dass einige uns schon abgeschrieben hatten und der Gegner Kabinettposten verteilte.
Aber diese Umfragehelden von gestern haben sich getäuscht. Heute spüren wir und viele andere auch, dass wir Sozialdemokraten miteinander etwas sehr Schwieriges, aber auch sehr Wertvolles geschafft haben.
Wir haben es geschafft, unsere Überzeugungen nicht zu leugnen oder wegzuwerfen und doch das Nötige in Zeiten eines rasanten ökonomischen und technischen Wandels zu tun. Wir haben es geschafft und sind weiter dabei, unsere festen Werte, die alt, aber nicht veraltet sind, mit sich wandelnden Realitäten in Einklang zu bringen.
Wir haben uns bewegt, aber nicht verbogen. Wir haben gestanden und gekämpft, während andere auf der Tribüne gehockt haben. Und wir sind standhaft geblieben, wo sich andere opportunistisch ins Bild rücken wollten und durchsichtig taktiert haben.
Genossinnen und Genossen,
wir dürfen niemals leichtsinnig oder überheblich sein, aber wir können sehr wohl selbstbewusst in diesen Wahlkampf ziehen.
Wir können stolz sein auf das, was wir in den letzten fast vier Jahrzehnten für unser Land geschafft haben. Und wir sollten uns überhaupt nicht scheuen, die Menschen in NRW - und ein wenig auch uns selbst - an unsere Leistungen und Erfolge zu erinnern, die unser Land stark gemacht haben und auf denen wir eine gute Zukunft bauen können.
Lasst mich einige wenige Beispiele nennen:
Das Ruhrgebiet wäre heute nicht weiterhin einer der bedeutendsten Wirtschaftsstandorte der Welt, wenn wir das Revier nicht vor Jahrzehnten aus seiner tiefen Krise gerissen und den Menschen dort neue Perspektiven, neue Zuversicht und vor allem neue Arbeitsmöglichkeiten verschafft hätten.
Heute müssen wir um die Arbeitplätze bei Opel und anderswo kämpfen. Das ist leider wahr. Aber ich sage Euch, da gäbe es nicht viel, um das man kämpfen könnte, wenn wir nicht mit Heinz Kühn schon in den sechziger Jahren dafür gesorgt hätten, dass dort neue Betriebe angesiedelt worden sind, auch und gerade in der Autoindustrie.
Wenn wir nicht mit Johannes Rau, den ich von hier aus herzlich grüße und dem ich weitere gesundheitliche Besserung wünsche, neue Hochschulen gegründet hätten. Und wenn wir mit Wolfgang Clement nicht technologische Schwerpunkte von der Logistik über Medien und Medizintechnik bis zur Mikrosystemtechnik gebildet hätten.
Heute, Genossinnen und Genossen, erleben wir eine schulpolitische Debatte, die von Seiten der Opposition mit einem erheblichen Maß an Verlogenheit geführt wird. Vor fast vierzig Jahren, als die Schwarzen abtraten in NRW, haben wir dieses Land mit der ersten großen Schulreform aus dem schulischen Mittelalter in die Neuzeit bringen müssen. Wir haben die klerikalen Konfessionsschulen und die Zwergschulen abgeschafft, die hier damals, man glaubt es kaum, noch Gang und Gäbe waren.
So werden wir auch die notwendigen Schulreformen zu Beginn des 21. Jahrhunderts durchführen. Wir sind voll dabei. Heute schreibt die CDU von uns ab - wie bei der selbstständigen Schule. Oder sie hinkt hinterher unter mühsamer Überwindung ihrer ideologischen Verklemmungen - wie bei der Ganztagsbetreuung und ihrem Bild von der Frau in unserer Gesellschaft. Oder sie sucht ihr Heil in einem plumpen Überbietungswettbewerb nach dem Motto: Wir legen immer noch eine Schippe drauf. Finanzierung offen.
Wir sollten auch nicht zögern, uns und andere daran zu erinnern, dass wir im ganzen Land eine zukunftsfähige Industrie- und Wirtschaftsstruktur aufgebaut haben. Heute wären nicht 34 der 100 führenden deutschen Unternehmen in NRW ansässig, heute wären wir nicht das exportstärkste Land der Republik, heute würden wir nicht ein Drittel aller Auslandsinvestitionen in Deutschland aufweisen, wenn wir nicht seit Jahrzehnten eine vernünftige Wirtschafts- und Strukturpolitik betrieben hätten.
Viele von uns erinnern sich noch gut an die heftigen Auseinandersetzungen 1987 um das Stahlwerk in Rheinhausen. Wer heute dorthin kommt, stellt fest: 1.500 neue, zukunftsorientierte Arbeitsplätze sind am gleichen Ort entstanden. Die Größen der internationalen Logistikbranche haben sich dort angesiedelt. 5.000 Arbeitsplätze sollen es dort in den nächsten Jahren werden.
So wollen wir weitermachen. Auch mit Hilfe der Strukturfonds der Europäischen Union.
Projekte, die daraus für rund 200 Millionen Euro finanziert werden, starten demnächst. Zum Beispiel die Propylen-Pipeline, die für die chemische Industrie im Ruhrgebiet von erheblicher Bedeutung ist.
Darüber hinaus haben wir in diesem und im nächsten Jahr noch 300 Millionen Euro EU-Mittel zur Verfügung. Die wollen wir einsetzen für Gründungs- und Mittelstandsförderung, für Forschung und Entwicklung, für Technologie und für Qualifizierung.
Wir wollen unsere Industriestandorte erhalten. Deshalb müssen wir Industriepolitik wieder neu buchstabieren. Wir brauchen jeden Arbeitsplatz. Und wir brauchen mehr davon, als wir jetzt haben.
Aber nicht nur das. Wir waren es, die schon 1984, als die Grünen noch in Turnschuhen liefen, das erste umfassende Umweltschutzprogramm für NRW auf den Weg gebracht haben.
Heute, 20 Jahre später, müssen wir diese Errungenschaften im Umweltschutz übrigens hart verteidigen. Denn CDU und FDP sind dabei, den Umweltschutz zynisch gegen Wirtschaftsinteressen auszuspielen.
Natürlich darf eine Feldhamsterfamilie, wenn sie denn schon mal gesehen worden ist, kein neues Kraftwerk verhindern, so wenig wir der ans Fell wollen.
Aber es gibt Leute - und der, der so gerne mein Amt hätte, tut sich da besonders hervor -, die nicht nur den Hamster zum Investitionshindernis hochstilisieren, sondern eine große Chance wittern, mit vorgeschobenen Argumenten den Umweltschutz insgesamt zu untergraben. Die wollen raus aus den erneuerbaren Energien und wieder rein in die Atomenergie. Die wollen die Ökosteuer abschaffen, die zur Stabilisierung der Rentenversicherung beiträgt und steigenden Lohnzusatzkosten entgegenwirkt.
Wir haben da eine klare Position. Wir werden sicher nicht jeder Gelbbauchunke ihren eigenen Straßentunnel bauen. Aber wir werden auch keinen Roll Back beim Umweltschutz zulassen, wie ihn CDU und FDP betreiben.
Für uns gehören wirtschaftliche Stärke und ökologische Vernunft seit Jahrzehnten zusammen, und wir werden das auch in Zukunft gut vereinbaren.
Genossinnen und Genossen,
es ist für mich eine große Verpflichtung und auch eine Ehre, nach Heinz Kühn, nach Johannes Rau und nach Wolfgang Clement das dieses Amt in unserem Land auszuüben. Und um auch das klar zu sagen: Zu dieser Verpflichtung gehört für mich, dass ich das Amt des Ministerpräsidenten - wenn Ihr es denn wollt und mir helft - auch nach dem 22. Mai auszuüben gedenke. Das gelingt nur mit Euch: Mit Harald Schartau und der Partei, mit Edgar Moron und der Fraktion - und mit unseren Abgeordneten im Bund und in Europa.
Genossinnen und Genossen,
wir haben nicht alle Probleme des Landes lösen können in den letzten 39 Jahren, das ist wahr, und neue sind hinzugekommen. Wir haben den Menschen nicht alle Sorgen nehmen können, auch das soll ehrlich gesagt werden.
Aber wir haben Großes geleistet für unser Land. Wir haben dem Wandel nicht zugeschaut, sondern ihn angepackt und ihn auf soziale Weise gestaltet.
Dass wir das gut gemacht haben und dass das auch die Menschen im Lande so sehen, zeigt übrigens eine ganz einfache, aber unbestreitbare Tatsache.
Die Menschen in NRW haben seit 39 Jahren SPD gewählt. Sie haben also seit 39 Jahren nicht CDU gewählt. Ich finde, dass sind kluge Menschen hier in NRW, die wissen, was gut für sie ist.
Die CDU tritt mit dem ehemaligen Zukunftsminister des ehemaligen Kanzlers Helmut Kohl an. Mehr Vergangenheit war nie! Ich weiß nicht, wie viel Vergangenheit die CDU hier aushält, aber das Land braucht Zukunft.
Was wir erleben, das ist die große Kunst der Parterre-Akrobatik: die Rolle Rüttgers!
Der donnernde Vorwurf in der Rede von Jürgen Rttgers zum Neujahrsempfang
der CDU lautete: "Es geht denen - also uns - doch nur um Macht."
Ja, um Himmels willen, ihm nicht? Demokratie verleiht Macht auf Zeit. Will er
das als etwas Verwerfliches oder Unanständiges denunzieren?
Wenn es Rüttgers nicht um diese demokratisch verliehene Macht geht, er also
keinen Gestaltungsanspruch erhebt, warum bewirbt er sich dann? Warum tritt er
dann an?
Ja, ich strebe diese demokratisch legitimierte Regierungsverantwortung an, um
die Zukunft unseres Landes zu gestalten.
Heute wie in den vergangenen Jahren gilt: Nur Weniges ist von Dauer. Der Wandel stellt uns vor neue Probleme, die wir lösen müssen. Aber er gibt uns auch viele neue Möglichkeiten. Es ist unsere Pflicht, diese Möglichkeiten des Wandels zu erkennen und zum Wohle der Menschen zu nutzen.
Wir müssen das tun, damit unser Land noch stärker wird. Damit wir als Standort noch stärker werden. Damit wir mehr Wachstum schaffen und den Menschen neue Arbeitsmöglichkeiten geben können.
Genossinnen und Genossen,
wir haben über 5 Millionen Arbeitslose in Deutschland. Das ist ohne wenn und aber eine schlimme Zahl. Dass mit dieser Zahl jetzt auch all' die Arbeitssuchenden erfasst sind, die bislang Sozialhilfe bekommen haben, und auch alle erwerbsfähigen Angehörigen derjenigen, die vorher Arbeitslosenhilfe bezogen haben - das zeigt zwar erstmals ehrlich das ganze Bild der Misere. Aber das ist natürlich nicht der geringste Trost und schon gar keine Hilfe für alle, die Arbeit suchen und keine finden.
Es hilft auch ganz sicher niemandem, diese Zahl schönzureden oder schnelle Besserung zu versprechen. Lasst uns das nicht tun. Wir dürfen uns und anderen nichts vormachen, auch und gerade nicht im Wahlkampf. Denn erstens glaubt uns so was sowieso kein Mensch, und zweites brauchen wir keine Vernebelungstaktik, sondern einen klaren Blick auf das, was ist, auf das, was schon getan worden ist und weiter getan werden kann.
Genossinnen und Genossen,
5 Millionen Arbeitslose sind ein Riesenproblem.
Ich bin gegen jede Verharmlosung, aber genauso gegen jede Form von Angst- und Panikmache, wie sie jetzt unsere Gegner betreiben.
Wir bleiben nur dann glaubwürdig und vertrauenswürdig, wenn wir bei diesem ernsten Problem strikt bei den Tatsachen bleiben. Und Tatsache ist, dass wir es sind, die in Berlin und in NRW mit denkbarer Entschlossenheit dran sind und dran bleiben an diesem Problem. Tatsache ist auch: Wir haben die Arbeitsmarktreformen gegen Populisten von links und rechts erkämpft. Und wir haben mit Hartz IV das Problem erstmals ehrlich abgebildet, aber mit unseren Reformen eben auch einen Schlüssel zur Bewältigung des Problems geschmiedet.
Nichts geht schnell und nichts geht leicht bei diesem Problem, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Zu diesem Weg gehört, dass wir nicht nur auf die Reformen setzen, sondern dass wir auch wirklich und wahrhaftig alles tun, damit unsere Wirtschaft stärker wird, damit wir mehr Wachstum und mehr neue Arbeit bekommen.
Was meine ich damit: Wir wollen unsere Wirtschaft und unser Land stärker machen.
1.
NRW wird stärker, wenn alle die, die ein Unternehmen oder eine Existenz
gründen wollen, vom Staat nicht behindert, sondern unterstützt werden.
Ich will nicht missverstanden werden. Es ist ja fast schon schick geworden, auf die Bürokratie zu schimpfen, und das so genannte bürgerliche Lager ist ja anscheinend so weit, den Staat nur noch als lästiges Hindernis auf dem Weg zur ungezügelten Herrschaft des Marktes zu sehen.
Ich will keine allgemeine Regellosigkeit. Ich will nicht, dass der Staat laxer wird. Ich will, dass er besser und vor allem schneller wird.
Ich will an einem wichtigen Beispiel deutlich machen, was das bedeutet:
Wir wollen, dass Existenzgründer in NRW künftig aus einer Idee noch schneller einen neuen Betrieb machen können. Wir wollen Himmel und Hölle in Bewegung setzen, damit es künftig nicht länger als fünf Werktage dauert, dass ein Gründer oder eine Gründerin alle Bewilligungen hat, um loszulegen.
In unserem "Masterplan Selbständigkeit", der die erfolgreichen Initiativen "Go!" und "move" zusammenführt, räumen wir die administrativen Hindernisse für neue und junge Unternehmen aus dem Weg.
Das Modell des Dienstleistungszentrums Dortmund zeigt die Richtung, in die wir gehen wollen. In Dortmund sind Gewerbeanmeldung, Gründungsberatung und Betreuung im Antragsverfahren zusammengefasst.
Die SPD und diese Landesregierung müssen der Anwalt, der Verbündete und Förderer dieser Unternehmen sein. Sie sind der Schlüssel zu Wachstum, Arbeitsplätzen und Ausbildung. Die Regionen in Nordrhein-Westfalen, die einen breiten Mittelstand und eine Branchenvielfalt plus Wissenschaftseinrichtungen aufweisen, die liefern Anschauungsmaterial, wo wir für das ganze Land hin müssen. Die SPD - und ich füge hinzu: auch eine moderne Gewerkschaftsbewegung - muss sich dieser unternehmenden Unternehmer annehmen.
2.
NRW wird stärker, wenn wir Wissenschaft, Forschung und Technologie massiv
stärken. Ich will, dass bis 2010 in NRW 3 % unseres Bruttoinlandsprodukts in
Forschung und Entwicklung investiert werden. Darüber wird mit der Wirtschaft
intensiv zu reden sein. Bei der Förderpolitik des Landes müssen wir anfangen.
Wir werden unsere Wirtschafts-, Technologie- und Forschungsförderung noch
besser verzahnen und auf Zukunftsthemen konzentrieren, bei denen wir in NRW
stark sind.
Wo Kompetenznetze entstehen, gibt es eine Innovationsförderung aus einem Guss. Sind Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammengebracht, so ergänzen sich alle fördernden Maßnahmen entlang der Kette von der Grundlagenforschung über den Prototyp bis zur Markteinführung.
3.
NRW wird stärker, wenn wir noch mehr als bisher in den Energiestandort
investieren. Deshalb werde ich weiter darauf drängen, dass der Kraftwerkpark
in NRW Schritt für Schritt erneuert wird: Am Standort Neurath mit einem
Braunkohle-Doppelblock, mit neuen Steinkohlekraftwerken in Datteln und
Duisburg-Walsum und mit neuen hocheffizienten GuD-Kraftwerken auf Erdgasbasis
in Hamm und Hagen. Ich rede von Milliarden-Investitionen, die auf Jahre
mehrere tausend Arbeitsplätze im Anlagenbau sichern. Das wird unser
wirksamster Beitrag zum weltweiten Klimaschutz.
4.
NRW wird stärker, wenn die Menschen und die Produkte, die sie produzieren,
schneller von einem Ort zum anderen kommen.
Wir werden den Rhein-Ruhr-Express bauen. Dafür hat mir Manfred Stolpe, der ja auch nicht im Geld schwimmt, die ersten 270 Millionen Euro bereits fest zugesagt.
Bei der Beseitigung von Autobahn-Engpässen gibt es schon wichtige Fortschritte: Der sechsspurige Ausbau im Ruhrgebietsdreieck und auf dem Kölner Ring wird realisiert. Bei den anderen Großprojekten der A 1, der A 2 oder A 33 werden wir zügig vorgehen. Allein dieser Infrastrukturschub im Fernstraßennetz wird mit rund 600 Millionen Euro finanziert.
5.
Und unser NRW wird auch stärker, wenn wir die Möglichkeiten der
Arbeitsmarktreform konsequent nutzen. Ich will, dass wir die Schnellsten und
Besten sind, wenn es um eine effizientere Vermittlung geht. Oder wenn es darum
geht, Menschen, die seit langen Jahren arbeitslos sind, endlich wieder in
Arbeit zu bringen.
Das ist längst nicht nur eine Frage von Zahlen und Statistiken. Ich bin froh über jeden und jede, die nach einer quälend langen Arbeitslosigkeit eine sinnvolle Arbeit machen können. Ich sehe das so: Jeder einzelne Ein-Euro-Job ist tausendmal besser für die Betroffenen und tausendmal sinnvoller für die Gesellschaft, als wenn wir diese Menschen weiter einfach aussortieren und damit entwürdigen.
So wie wir mit unserem Ausbildungskonsens in NRW Vorbild für den erfolgreichen Ausbildungspakt auf Bundesebene waren, so will ich, dass wir es als erste schaffen, jeden jungen Arbeitslosen unter 25 Jahren sofort nach Antragstellung in Arbeit oder Ausbildung zu vermitteln. Das wird möglich, weil sich jetzt ein Vermittler im Jobcenter intensiv um 75 jungendliche Arbeitsuchende kümmern kann.
6.
NRW wird stärker, nicht schwächer, wenn wir damit fortfahren, bürokratischen
Ballast abzuwerfen und staatliche Regelungen auf das notwendige Maß zu
begrenzen. Wir sind schon ein gutes Stück vorangekommen: Sämtliche neuen
Gesetze und Verordnungen werden bei uns befristet. Und von den alten,
inzwischen überprüften werden 250 wegfallen und 800 nachträglich befristet.
Mehr als die Hälfte der Erlasse haben wir aufgehoben.
Was das praktisch bedeutet, sieht man etwa an unserem neuen übersichtlichen Schulgesetz, das allein sieben alte Schulgesetze und die zugehörigen Ausführungsverordnungen ersetzt. Das gibt den Schulen Sicherheit und schafft Raum für ihre Entwicklung. Für mehr als die Hälfte aller Steuerpflichtigen in NRW - rund 5 Millionen Menschen - steht jetzt mit der "Steuererklärung auf zwei Seiten" ein unbürokratisches, schnelles Angebot in jedem Finanzamt zur Verfügung.
7.
NRW wird auch stärker, wenn wir auf den demografischen Wandel nicht mit
Verdrängung und Jammern und Angst reagieren, sondern auch in dieser
Entwicklung die Möglichkeiten erkennen und nutzen. Konkret ist z.B. die
Gesundheitswirtschaft eine davon, die bei uns massiv expandiert.
Dass wir länger leben, ist etwas Wunderbares. Und dass wir viele Ältere haben werden, ist doch keine Katastrophe. Wir sollten sehen, das unsere Älteren heute viel qualifizierter, viel gesünder, viel mobiler und viel reicher an wertvollen Erfahrungen sind als noch vor ein oder zwei Generationen.
Die wollen nicht zwangsverrentet werden. Die wollen, ihren Möglichkeiten entsprechend, ihren Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wertschöpfung leisten, und sie tun es ja auch bereits in immer stärkerem Maße.
Wir wollen in NRW eine Gesellschaft, in der man auf eine möglichst sorgenfreie, produktive und sinnstiftende Art ein langes Leben genießen kann.
Genossinnen und Genossen,
die Politik kann und muss Voraussetzungen dafür schaffen, dass hierzulande mehr investiert und - dies auch - wieder mehr konsumiert wird.
Daran arbeiten wir.
Neben der Politik sind die Sozialpartner aufgerufen, die Flexibilitäten, die es in den Klauseln diverser Tarifverträge gibt, zu nutzen. An positiven Beispielen, darüber Arbeitsplätze zu erhalten gibt es keinen Mangel. Anpassungen darf man nicht immer nur von den Anderen verlangen.
Das Management der Unternehmen hat mehr denn je eine Vorbildfunktion und bei allen betriebswirtschaftlichen Zwängen auch gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Dazu passen weder steigende Vorstandsbezüge, wenn Belegschaften zum Verzicht aufgerufen werden, noch überzogene Renditeziele, die mit Kündigungen erreicht werden sollen, noch der Pessimismus, wenn gleichzeitig Rekordgewinne erzielt werden, noch das Standortlamento, das soziale Stabilität und eine gute Infrastruktur gering schätzt.
Herr Ackermann von der Deutschen Bank lässt die Peanuts von Herrn Kopper als Ausrutscher erscheinen. Hier verliert ein Mann die Balance und beschädigt nicht nur sein Unternehmen, sondern diejenigen Unternehmer und Manager, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen.
Liebe Genossinnen und Genossen,
den Wunsch, in einer Gesellschaft zu leben, in der Respekt und Solidarität keine Fremdworte sind, in der es - einfach ausgedrückt - menschlich zugeht, haben wohl alle oder fast alle Menschen. Aber wir leben in einer Welt, in der Mitmenschlichkeit eher bedroht ist. Und es gibt viele Faktoren und Bedingungen im Alltag der Menschen - ich nenne das die Fliehkräfte in unserer Gesellschaft -, die den Zusammenhalt gefährden.
Die Frage, auf die wir eine Antwort finden müssen, lautet deshalb: Was kann die Politik, die auf sozialdemokratischen Werten beruht, tun, um diesen Fliehkräften entgegenzuwirken und langfristig den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken und zu sichern?
Ihr wisst, dass ich meine Vorstellung von einer Gesellschaft, die ich für erstrebens- und lebenswert halte, gerne im Bild der friedfertigen Gesellschaft ausdrücke. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die friedfertig ist nach innen und nach außen.
Einer friedfertigen Gesellschaft kommen wir umso näher, je weniger Menschen ausgegrenzt werden, je weniger Menschen sich deklassiert fühlen.
Frieden macht stark. Die friedfertige Gesellschaft hält Konflikte aus und sorgt dafür, dass Spannungen zwischen gesellschaftlichen Gruppen fair und friedlich ausgetragen werden. Denn in der friedfertigen Gesellschaft kann jeder ohne Furcht leben.
Doch meine friedfertige Gesellschaft ist auch eine wehrhafte Gesellschaft. Beides gehört zusammen. Denn der gesellschaftliche Frieden hat viele Feinde. Fundamentalisten, gewaltbereite Extremisten und - wie wir gerade jetzt wieder voller Abscheu und Zorn erleben müssen - Neonazis, die ihr unsägliches Gedankengut ungeniert zur Schau stellen.
Genossinnen und Genossen,
wir haben die Pflicht, uns überall und zu jeder Zeit gegen die menschenverachtenden Hetzparolen der Neonazis zur Wehr zu setzen. Was sich kürzlich im sächsischen Landtag abgespielt hat, kann sich in deutschen Parlamenten wiederholen, wenn wir zulassen, dass Rechtsextremisten mit ihren Worten und Taten unsere demokratische Gesellschaft und Verfassung untergraben.
Auch ohne NPD-Verbot sind wir nicht wehrlos gegen braune Gewalttäter und braune Hassprediger. Wer Volksverhetzung betreibt, wer den Judenmord leugnet, der macht sich auch nach den bestehenden Gesetzen strafbar. Der Rechtsstaat gibt uns also Mittel in die Hand, die wir allerdings konsequent anwenden müssen.
Aber rechtsextremes Gedankengut lässt sich nicht allein mit Gesetzen bekämpfen. Wir müssen sie stellen. Überall. Das ist auch die Aufgabe von Betrieben, Medien, Schulen, Hochschulen, Elternhäusern. Wir brauchen die Courage aller Bürger, die sich für Solidarität, Toleranz und Menschlichkeit einsetzen, die wehrhaft den Feinden einer friedfertigen Gesellschaft entgegentreten.
Der jetzt beginnende Wahlkampf gibt uns Gelegenheit, überall im Land den Neonazis den politischen Kampf anzusagen. Das sollten wir mit großer Entschiedenheit tun. Der Kampf gegen rechts hat in unserer Partei eine Tradition, auf die wir stolz sind.
Dem holzenden und randalierenden CSU-Vorsitzenden, der offenbar ein Rollenproblem hat und aus der Fassung geraten ist, rufe ich zu: Hüte Deine Zunge! Den Nachdenklichen in der Union - irgendjemand müsste auch mal den hiesigen CDU-Generalsekretär zurück pfeifen -, denen sage ich: "Geht pfleglich mit dem Konsens der Demokraten um. Auch und gerade in Wahlkampfzeiten. Feixende Neonazis sind Ihnen hoffentlich doch genauso zuwider wie uns."
Denjenigen, die es als ihr demokratisches Recht ansehen, ihren Protest,
auch ihren Frust, mit den demokratischen Parteien dadurch auszudrücken, dass
sie die Ableger von Adolf Nazi wählen, denen sage ich:
Diese Leute wollen Ihr Wahlrecht, Demokratie, Parlamente, Minderheitenschutz,
Meinungsvielfalt abschaffen. Das hatten wir schon einmal. Das Ende ist
bekannt. Der Kabarettist Werner Finck sagte einmal: "Ich wähle diejenigen, die
es mir nicht übel nehmen, wenn ich sie nicht wähle."
Das ist der Grundgedanke der Demokratie, den wir gemeinsam darstellen müssen.
Liebe Genossinnen und Genossen,
zum Glück gibt es nicht nur Feinde der friedfertigen Gesellschaft, sondern es gibt bei uns auch viele positive und Mut machende Beispiele gelebter Solidarität.
Für mich ist es immer wieder beeindruckend, welchen Einsatz Ehrenamtliche in diesem Land erbringen, in einer unglaublichen Vielfalt und mit sehr konkreten Erfolgen. Auch und gerade in Stadtteilen, in denen praktische Hilfe und Solidarität besonders nötig sind.
Diese Menschen sind Vorbilder. Sie sind die wahren "Helden des Alltags".
Diese Menschen unterstützen wir z. B. dadurch, dass das Land sie für ihre ehrenamtliche Tätigkeit versichert.
Wir müssen diesem bürgerschaftlichen Engagement Raum geben. Ich werde mich deshalb besonders solchen bürokratischen Hindernissen widmen, die dem Ehrenamt zu schaffen machen.
Liebe Genossinnen und Genossen,
das Gegenteil von Zusammenhalt und Solidarität ist Ausgrenzung. Je wirkungsvoller und entschlossener wir Ausgrenzung bekämpfen, desto mehr tun wir für den Zusammenhalt. Und es gibt - neben der Sicherung von Frieden und Freiheit - keine gesellschaftspolitische Aufgabe, die stärker das Selbstverständnis der Sozialdemokratie berührt.
Ich habe keine Begabung zum Pathos, wie ihr wisst.
Aber ich sage deutlich: Eine Politik ohne Werte, eine Politik ohne Moral kann
es für mich nicht geben. Und Ausgrenzung ist unmoralisch. Ausgrenzung
bedeutet, dass Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, dass sie
respektlos behandelt werden. Menschen, denen man Respekt verweigert, nimmt man
die Würde. Deshalb ist Ausgrenzung unmoralisch.
Der Kampf gegen Ausgrenzung ist für mich nicht nur eine Frage der Moral. Die dauerhafte Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen widerspricht auch jeder ökonomischen Rationalität. Denn wir alle wissen, dass die Folgen und die Beseitigung der Folgen von Ausgrenzung eine Gesellschaft immer teurer kommt als eine vernünftige Prophylaxe. Das zumindest sollten auch Konservative oder liberale Wachstumspropheten begreifen können.
Unser Kampf gegen Armut und Ausgrenzung - eines bedingt oft das andere - muss aus meiner Sicht zwei Ziele verfolgen:
Wir müssen Armut und Ausgrenzung dort bekämpfen, wo wir heute diese
Zustände vorfinden und
wir müssen durch eine vorausschauende Politik verhindern, dass Armut und
Ausgrenzung in unserer Gesellschaft überhaupt erst entstehen können.
Was heißt das für NRW?
Konkret meine ich, dass wir uns gezielt um die benachteiligten Stadtteile im Land kümmern müssen, in denen sich Mangel konzentriert. Mangel, der sichtbar ist an verwahrlosten Häusern, Mangel, der sich niederschlägt in fehlgeschlagener Integration, Mangel, der sich in Vandalismus, Gewalt und Kriminalität entlädt.
Ziel muss sein, dass unsere Städte vital bleiben und lebenswert, damit die Menschen gern dort wohnen, dass es ihnen gut geht und sie sich geborgen fühlen.
Um dieses Ziel zu erreichen, ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen notwendig. Ich will hier nur ein paar Punkte nennen, die aus meiner Sicht besonders wichtig sind:
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir müssen Ideen und Konzepte entwickeln, die prophylaktisch wirken, die Ausgrenzung verhindern, bevor sie entsteht. Das ist ein hoher Anspruch. Ich weiß.
Nun ist es keineswegs so, dass wir hier bei Null anfangen müssten. Und auch das Rad muss nicht neu erfunden werden. Im Kern geht es darum, die uralte sozialdemokratische Idee, Bildung und Ausbildung allen Schichten der Bevölkerung zugänglich zu machen und auf die Bedingungen und Herausforderungen des 21. Jahrhunderts auszurichten.
Liebe Genossinnen und Genossen,
ich bin sicher, ihr lasst euch nicht von der Tatsache irritieren, dass die CDU mit billiger Polemik das Bildungsthema ins Zentrum ihrer Wahlschlammschlacht stellen will.
Eine lange Bilanz unserer Bildungspolitik verbietet sich hier. Wenige Stichworte sollen reichen:
Ich könnte so fortfahren.
In unserem Wahlkampf werden Schule, Bildung, Ausbildung, Betreuung eine ganz bedeutende Rolle spielen. Es ist das Zukunftsthema schlechthin, wie Ihr alle wisst. Und es ist auch das Thema, das sich besonders gut eignet, unsere Wertvorstellungen und Ziele in deutlicher Abgrenzung zur CDU hervorzuheben.
Wir müssen deutlich machen, dass die SPD-Regierung für jede Lebensphase das passende Angebot bereithält und weiterentwickelt. Angebote, die wie die Glieder einer Kette ineinander greifen: beginnend bei den Betreuungsangeboten für die unter Dreijährigen, bis hin zum kostenlosen Angebot von Studienplätzen im Rahmen des Erststudiums.
Die SPD nimmt sich dem gewaltigen Bildungsthema umfassend an, weil nur ganzheitliche Konzepte den neuen Herausforderungen einer Wissensgesellschaft gerecht werden, weil nur ganzheitliche Konzepte in der Lage sind, Ausgrenzung zu verhindern. Denn wir meinen es ernst, wenn wir sagen, dass allein die Fähigkeiten und Begabungen über die Zukunft von Menschen entscheiden dürfen und nicht Beruf, Einkommen, Wohnort oder die Herkunft der Eltern.
Liebe Genossinnen und Genossen,
ganz entscheidend für eine erfolgreiche Bildungskarriere ist der frühe Einstieg. Wer gleiche Lebenschancen schaffen will, der muss früh ansetzen. Denn lange bevor Kinder in die Schule kommen, wird die Basis für Lernfähigkeit und Lernmotivation gelegt. Daraus kann nur die Konsequenz gezogen werden: die Förderung muss schon bei den ganz Kleinen beginnen.
Erfolgreich starten heißt deshalb für Sozialdemokraten früh fördern. Und wenn ich dieses erste zentrale Glied unserer Bildungskette den Menschen erläutere, sage ich oft den Satz: "Ich will, dass schon die Kleinen groß rauskommen."
Konkret bedeutet das: Wir werden ein Betreuungsnetz für Kinder unter drei Jahren knüpfen und die Kommunen dabei unterstützen, entsprechende Angebote zu schaffen. Unser ehrgeiziges Ziel: Die Zahl der Betreuungsplätze für unter 3jährige in den nächsten fünf Jahren auf 80.000 zu verdoppeln.
Zunächst werden wir die Betreuung der 2jährigen verbessern. Dazu kündige ich ein neues Sonderprogramm ab 2006 an für entsprechende Gruppen in Tageseinrichtungen.
Wir werden Eltern und Kinder aus sozial benachteiligtem Umfeld gezielt fördern. Darum sollen Kindergärten schrittweise zu Familienzentren werden, wie sie in England schon erfolgreich arbeiten.
Wer in die Schule kommt, soll gut Deutsch sprechen können. Das gilt gleichermaßen für zugezogene wie für einheimische Kinder. Deshalb werden wir die Angebote zur verpflichtenden vorschulischen Sprachförderung weiter ausbauen.
Liebe Genossinnen und Genossen,
nach erfolgreichem, weil frühem Start dürfen intensive Förderung und Betreuung natürlich nicht abreißen, wenn die Kinder in die Schule kommen. Dem trägt unser Konzept der Ganztagsgrundschule in hervorragender Weise Rechnung.
Wie wichtig Ganztagsbetreuung ist, erfahre ich immer wieder bei meinen Schulbesuchen. Es berührt mich sehr, wenn mir Lehrerinnen und Lehrer erzählen, dass es Kinder gibt, die ohne Frühstück kommen. Und die gar nicht wissen, was geregelte Mahlzeiten sind, aber jede Pommesbude im Stadtteil kennen. Weil ihre Eltern sich nicht darum kümmern oder kümmern können. Das hat ganz unterschiedliche Gründe, das weiß ich wohl.
Solche Beispiele aus dem Alltag von Kindern - und das ist nur eines von vielen - sagen doch mehr aus als jede Einkommensstatistik. Da zeigt sich sehr direkt und sehr konkret, wie wichtig es ist, dass wir uns um Ganztagsbetreuung kümmern. Diese Kinder haben oft zum ersten Mal in ihrem Leben einen geregelten Tagesablauf, weil sich jemand auch nach der vierten oder fünften Stunde um sie kümmert - mit einer warmen Mahlzeit, mit Hilfe bei den Hausaufgaben. Das ist für viele Kinder schon viel. Und für viele Eltern eine echte Hilfe.
Liebe Genossinnen und Genossen,
erwähnen möchte ich auch, dass wir das Abitur nach 12 Jahren als Regelfall mit mehr Unterricht und mehr Förderung für alle Schüler der 5. bis 10. Klasse an allen weiterführenden Schulen anstreben. Die dafür notwenigen Lehrerstellen wird das Land bereitstellen.
Bis 2009 werden alle Schulen bei uns in Nordrhein-Westfalen Selbständige Schulen sein. Selbständigkeit heißt Eigenverantwortung. Eigenverantwortung motiviert und fördert Kreativität. Davon profitieren alle - ganz besonders unsere Kinder und Jugendlichen.
Unser sozialdemokratisches Bildungskonzept hält natürlich auch Angebote für alle jungen Menschen bereit, die nach ihrem Schulabschluss eine Berufsausbildung oder ein Studium beginnen wollen.
Ich bin sehr froh, dass wir seit wenigen Tagen wissen, dass wir auch in diesem Jahr allen Jugendlichen ein Angebot für einen Ausbildungsplatz oder einen Platz in berufsvorbereitenden Maßnahmen machen konnten. Die Anstrengungen aller Partner des Ausbildungskonsenses haben diesen Erfolg ermöglicht. Wir haben eine Steigerung der Ausbildungsplätze in Nordrhein-Westfalen gegenüber dem letzten Jahrgang um 4,4 % - nach einer Abnahme davor um 4 %. Das ist eine bemerkenswerte Leistung, für die ich mich bei allen Partnern - auch im Namen von Harald Schartau, der sich hier besonders eingesetzt hat - herzlich bedanken möchte. Wir werden diesen Weg weiter gehen.
Ich konnte unsere Hochschulpolitik nur kursorisch ansprechen. Aber zwei Bemerkungen zu der hitzigen Debatte über Studiengebühren möchte ich nicht schuldig bleiben.
Zunächst möchte ich daran erinnern, dass wir als eines der ersten Länder Gebühren für Langzeitstudenten und das Zweitstudium über ein Studienkontenmodell eingeführt haben, das inzwischen Anerkennung genießt - nachdem uns vorher die Hucke voll gehauen worden ist - auch von der CDU.
Entscheidend ist für mich, dass es auch in Zukunft gelingt, die Akademikerquote weiter zu steigern. Wir brauchen nämlich mehr und nicht weniger junge Menschen mit Hochschulabschlüssen, um international mithalten zu können.
Und deshalb bin ich gegen Gebühren für das Erststudium, da der Staat nicht
die Frage beantworten kann, mit welchem Stipendiensystem und
Studentenkreditprogramm junge Leute in die Hochschulen gebracht werden sollen,
die es sich sonst nicht leisten können.
Herkunft darf nicht über Zukunft entscheiden. Dieser sozialdemokratische
Grundsatz gilt selbstverständlich auch im Falle von Studiengebühren.
Wir werden da nicht mitmachen. NRW bleibt sozial und gerecht.
Liebe Genossinnen und Genossen,
Ihr habt mich in den ersten 2 ½ Jahren als Ministerpräsident unterstützt und getragen. Dafür danke ich Euch.
Dieses hohe Amt erfüllt mich - und es nimmt gefangen.
Ihr wisst, woran Ihr mit mir seid - einschließlich meiner Ecken und Kanten und der Varianten meiner Mundwinkel.
Ich werbe für Eure Unterstützung und ich verspreche Euch, dass ich mit allem, was ich kann, und auf jedem Parkett für einen Wahlsieg und um dieses Amt kämpfen werde.
Die rot-grüne Koalition blickt auf eine erfolgreiche Legislaturperiode zurück. Es hat - wie das in den besten Ehen vorkommen soll - mal ordentlich gekracht, aber seit dem Düsseldorfer Signal leben und arbeiten die Partner vertrauensvoll und - darauf kommt es an - professionell zusammen.
Ich bin sicher, unsere grünen Partner empfinden das genauso, und deshalb
sehe ich unseren Koalitionsverhandlungen gelassen entgegen.
Aber: Bis dahin ist es noch lange hin.
Wir müssen kämpfen, um dahin zu kommen. Keine Frage. Kämpfen um jede Stimme. Kämpfen bis zur letzten Minute. Aber es ist nicht nur wichtig, dass wir kämpfen, sondern genauso wichtig ist, wie wir kämpfen.
Mir ist ganz wichtig, dass wir einen Wahlkampf führen, der die Menschen mit ihren Sorgen und Problemen ernst nimmt. Nur dann werden sie auch uns ernst nehmen, nur dann werden sie uns zuhören, nur dann können wir sie erreichen und am Ende vielleicht überzeugen.
Ich möchte den Wahlkampf nutzen, um verlorene Glaubwürdigkeit für die Politik zurück zu gewinnen. Ich weiß, das ist ein ehrgeiziges Ziel. Denn gerade im Wahlkampf neigt man zu Vereinfachungen, zu Provokationen, auch zu Schönfärberei.
Und schlimmer noch: Die Menschen erwarten das geradezu in Wahlkampfzeiten, weil sie argwöhnen, dass es uns Politikern nur darum geht, sie mit allen Tricks zu locken. Und dass diese Vermutung nicht aus der Luft gegriffen ist, kann niemand ernsthaft bestreiten.
Doch gerade deshalb sage ich Euch, dass wir den Wahlkampf auch als Chance erkennen und nutzen sollten, uns neuen Kredit an Glaubwürdigkeit beim Wähler zu holen. Das kann nur gelingen, wenn wir ernsthaft und ehrlich mit ihnen sprechen. Sagen, was ist. Probleme beim Namen nennen. Keine raschen Lösungen versprechen, wenn wir keine haben. Verstehen, was die Menschen umtreibt. Ernsthaft nach Lösungen suchen. Wege aufzeigen. Mut machen, sich auf den Weg zu machen. Gemeinsam, weil es dann leichter geht.
Ich möchte, dass wir über das reden, worum es wirklich geht in unserem Land. Ich möchte einen politischen und keinen polemischen Wahlkampf führen.
Ich glaube, es geht eine große Kraft davon aus, wenn ein Politiker mit Ernsthaftigkeit und Leidenschaft im Wahlkampf über Politik redet. Und er wird, wenn er das überzeugend und glaubwürdig tut, viel Aufmerksamkeit erfahren, weil die Wähler im Wahlkampf alles erwarten und vieles befürchten, nur nicht, dass Politiker ernsthaft über Politik reden.
Liebe Genossinnen und Genossen,
unser Wahlkampfmotto lautet:
Das ist ein gutes Motto, wie ich finde.
Es klingt einerseits einfach. Jeder kann es verstehen.
Und doch bedeutet es viel. Es bedeutet, dass wir für unser Land die Zukunft
gewinnen wollen, ohne das Herz zu verlieren.
Ich möchte, dass die Menschen in NRW, um deren Stimme wir werben, die Bedeutung dieses Zweiklangs verstehen. Er bringt das Ziel unserer Politik auf den Punkt und intoniert zugleich die Grundmelodie unseres Wahlkampfes.
Ich bin sicher: Wenn uns das in den vor uns liegenden einhundert Tagen gelingt, wenn die Menschen erkennen, dass wir unser Motto ernst meinen, wenn sie erkennen, dass wir es zum Maßstab unserer Politik machen, dann kann uns den Wahlsieg niemand nehmen.
Die anderen sagen "NRW kommt wieder".
Nun gut. Dann lasst uns antworten:
Ja, NRW kommt wieder.
NRW kommt wieder - zur SPD!