SPD
Ortsverein Eickel
Afghanistan
Dazu besteht auch ein Forum auf SPIEGEL-ONLINE
Ihre Meinung: Bundeswehr aus Afghanistan abziehen?
http://forum.spiegel.de/showthread.php?t=366
Eingereicht am 01.04.2006 von Ralf Frensel
Das Problem einer Toleranz der Religionen zeigt der Fall des Christen
Abdul Rahman, 40. Er lebte Presseberichten zufolge neun Jahre lang in
Deutschland, wo er zum Christentum wechselte. Vor dem Obersten Gericht
Afghanistans lehnte er es nach seiner Rückkehr ab, sich wieder zum Islam zu
bekennen. Wegen der Abkehr vom Islam droht ihm die Todesstrafe nach dem
afghanischen Rechtssystem, das sich unter anderem auf das islamische Gesetz
der Scharia stützt. Menschenrechtsorganisationen sind entsetzt, die
Bundesregierung ist besorgt. Der Christ hat noch eine Chance: Wird bei ihm
eine geistige Störung diagnostiziert, könnte er freigelassen werden. Für
viele Christen dürfte diese Lösung einen üblen Beigeschmack haben.
Es gibt dann eine überraschende Wendung: Wegen "Verfahrensfehlern" hat das
afghanische Gericht den Fall an die Staatsanwaltschaft zurück verwiesen. Nun
wird mit der baldigen Ausreise des Konvertiten gerechnet. So könnte der Fall
für alle Seiten ohne Gesichtsverlust geklärt werden. Etwa 1000 aufgebrachte
Afghanen demonstrierten gegen die Freilassung und für die Hinrichtung ihres
Landsmannes. Rahman wird aus der Haft entlassen und findet Asyl in Italien.
(Zitiert aus Spiegel-Online)
Dass Rahmann überlebt hat finde ich schön. Die Lösung ist jedoch eine Scheinlösung. Dem nächsten Konvertiten, der in Afghanistan einreist, droht wieder die Todesstrafe. Eine Abschiebung von Afghanen, die behaupten Christen zu sein, wird in Zukunft nicht möglich sein. Seit der Machtübernahme der Taliban werden Christen in Afghanistan verfolgt.
Im "Spiegel" Nr. 11/13.03.2006, S. 50-56, ist ein lesenswertes Gespräch
mit Kardinal Karl Lehmann, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz
abgedruckt, in dem er sich ausdrücklich auf den hier folgenden Artikel von
Botho Strauß bezieht: [...] Dieser Westen trifft auf einen Islam, der in
der sich globalisierenden Moderne weithin noch nicht angekommen ist. Dies
erzeugt heftige Spannungen, die aber nicht - noch nicht - zum Zusammenprall
der Kulturen führen müssen.
Im Vatikan wurde der "Rat für den Dialog der
Religionen" vom Papst aufgelöst und in den "Kulturrat" eingegliedert.
Im "Cicero"-Ranking März 2006: Wer hat geistigen Einfluss auf die Deutschen, prägt deren Meinung? wurde die Liste der 500 renommiertesten Intellektuellen erstellt. 1. Günter Grass, 2. Harald Schmidt, 3. Marcel Reich-Ranicki, 4. Martin Walser, 5. Peter Handke, 6. Jürgen Habermas, 7. Wolf Biermann, 8. Elfriede Jelinek, 9. Alice Schwarzer und 10. Botho Stauß.
In der Auseinandersetzung mit dem Islam werden Spott und Satire nicht
weiterhelfen. Die Frage ist: In welche Zukunft predigen wir unsere alten
zivilen Werte? Botho Strauß im "Spiegel", Nr. 7/13.02.2006, S. 120f., meint:
"Auch liberalere Geister könnten sich bei Gelegenheit der aktuellen Unruhen
fragen, ob die erfolgreichen Abwehrkämpfe, die das christliche Europa einst
gegen den Ansturm arabischer Mächte führte, von heute aus gesehen nicht
umsonst gewesen sind. Der zur Mehrheit tendierende Anteil der muslimischen
Bevölkerung von Amsterdam und anderen Metropolen braucht unsere Toleranz
bald nicht mehr. [...] Niemand von geradem Gewissen wird sich von der
Köterspur des Rassismus samt seiner xenophoben Abarten reizen oder verführen
lassen. Aber wenn sie den Sohn auf dem Fußballplatz ein Christenschwein"
rufen, junge deutsche Türken, dann zuckt man zusammen, selbst wenn man sich
zuvor nicht als Christ gefühlt oder bekannt hätte. Ein Widerwille gegen
jegliche Form von religiöser Verunglimpfung ergreift einen [...]. Sogleich
folgt jedoch die zaghafte Nachfrage: Dominanz? In spätestens zwanzig Jahren
wird der junge christliche Kicker auch in diesem Stadtteil zur kulturellen
oder ethnischen (sagt man dann noch so?) Minderheit gehören. Man wüsste nur
gern, ob sich die anderen in ihrer Mehrheit dann ebenso empfindlich bei der
Abwägung zwischen Toleranz und Dominanz verhielten.
Integration, darunter versteht man bei uns vor allem Assimilierangebote. Am
demokratischsten wäre der Verzicht auf Glaubensidentität und Sittenprägung.
Für Ausbildung und berufliches Fortkommen empfiehlt sich die profane
Gesinnung und Lebensform.
Folglich gehört der Junge, der gläubige Christ, das Kind, das Heimat kennt
und Heimat fordert, so oder so zu einer verschwindenden Minderheit. Es wird
ihm sein inneres Hab und Gut eher streitig gemacht von den Zwängen der
Anpassung, der Vorteilssucht und des Karrieredenkens als von den
Strenggläubigen des Propheten. Im Gegenteil, die Letzteren müssten ihn in
seinem Glauben noch bestärken - er wird sich ihnen gerade in dem Maße
entgegensetzen, wie sie ihm zum Vorbild dienen.
Sollten Regeln für das friedliche Miteinander in der Unvereinbarkeit
festgelegt werden, so hätte als eine der ersten zu gelten, dass man Christen
nicht als 'Ungläubige' denunziert.
Um eine weitere Regel wird gegenwärtig gestritten: ob der Meinungsfreiheit
eine Grenze zu setzen sei. Sie findet sie bereits beim Schutz der Person. Es
ist nicht einzusehen, weshalb ein solcher Schutz nicht auch für die
Sakralsphäre gewährt werden sollte, ohne dass damit demokratische
Grundrechte aufs Spiel gesetzt würden. [...]
Der Konflikt ist nicht zu lösen, dafür aber fest umrissen und beendet die
Periode der neuen Unübersichtlichkeit". Mit der westlichen Einfühlung in
einen unüberwindlichen Antagonismus, sakral/säkular, ist die herrschende
Beliebigkeit, sind Synkretismus und Gleich-Gültigkeit in eine Krise geraten.
Vielleicht darf man sogar sagen: Wir haben sie hinter uns. Es war eine
schwache Zeit!"
Henryk M. Broder schreibt im "SPIEGEL ONLINE" vom 25. Februar 2006
"Angesichts der Konflikte mit der islamischen Welt empfehlen Wohlmeinende
nach wie vor den 'Dialog der Kulturen'. Doch das Konzept ist desaströs: Es
verschleiert Ohnmacht und Feigheit. [...] Ein Dialog also, wohin man schaut.
Jeder redet mit jedem, als wäre die Ringparabel von G.E. Lessing
Wirklichkeit geworden, mit Nathan, Saladin und dem Tempelherren als
Moderatoren des großen interkulturellen Palavers. Wer heute nicht für einen
'Dialog der Kulturen' eintritt, der ist ein Reaktionär, der die Zeichen der
Zeit nicht erkennen will. Und wer sich am 'Dialog der Kulturen' beteiligt,
der steht automatisch auf der richtigen Seite der Geschichte, und wenn er
nur regelmäßig zu seinem 'Türken' geht, um dort einen Döner zu bestellen.
Der 'Dialog der Kulturen', wie er heute praktiziert wird, steht in einer
langen Reihe von politischen Absichtserklärungen, deren einziges Ziel es
ist, virtuelle Debatten zu erzeugen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun
haben, dafür aber politisches und kulturelles Engagement simulieren. Da war,
in der Frühzeit der Bundesrepublik, die "formierte Gesellschaft", sie wurde
von der "freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO)" abgelöst, auf
deren Boden jeder Briefträger stehen musste, wenn er verbeamtet werden
wollte. [...]
Es waren immer die usual suspects, die sich an solchen Debatten beteiligten,
die immer mit demselben Seufzer endeten: Es müsse noch viel getan werden,
bis alle Ungerechtigkeit und Ungleichheit beseitigt ist, bis niemand mehr in
der Dritten Welt hungern muss und jedes Arbeiterkind in Thüringen das Abitur
machen kann. Dabei war der 'Dialog der Kulturen' eher ein Vehikel der guten
Laune als ein Ziel an sich. In Berlin gibt es jedes Jahr den 'Karneval der
Kulturen', ein großes, buntes Straßenfest mit Teilnehmern aus allen
Migranten-Milieus, viel Musik und der Möglichkeit, alle Hemmungen fallen zu
lassen."
Broder geht nun auf den Terrorismus ein und fragt "Was haben wir den Tätern
angetan, dass sie so gemein werden mussten? Und: Was müssen wir jetzt tun,
damit wir verschont bleiben? Die Antwort auf die erste Frage war schnell
gefunden: Wir haben sie gedemütigt. Zuerst als Kolonialmächte, dann durch
die schamlose Zurschaustellung unserer Überlegenheit als liberale
Demokratien. Die Antwort auf die zweite Frage war ebenso logisch: Wir müssen
einen Dialog der Kulturen etablieren, auf gleicher Augenhöhe und ohne
Vorbedingungen, um das gegenseitige Kennenlernen zu befördern." Nach Broders
Auffassung findet dieser Dialog aber aus einem Gefühl der Ohnmacht und Angst
voreinander nicht statt "Es sind vor allem die vielen 'Migrationsforscher'
und 'Integrationsbeauftragten', die über den 'Dialog der Kulturen'
miteinander reden, während die Objekte ihrer Umtriebigkeit sich der
Teilnahme enthalten: die einen, weil sie längst integriert sind und sich
nicht manipulieren lassen wollen, die anderen, weil sie es vorziehen, in
ihren Enklaven zu bleiben, was man ihnen weder verbieten noch verübeln kann.
Denn auch die Deutschen, die auf Mallorca leben, bilden eine
'Parallelgesellschaft' und halten Distanz zu den Einheimischen.
Der 'Dialog der Kulturen' ist eine therapeutische Maßnahme, die auf
Verzögerung, auf Zeitgewinn spielt, hervorgegangen aus einer Gesellschaft,
die fest davon überzeugt, dass man jeden Konflikt gesprächsweise lösen oder
wenigstens entschärfen kann. Und so wie jeder zweite Therapeutenwitz mit der
Pointe 'Gut, dass wir darüber gesprochen haben!' endet, hört jede Debatte
über den 'Dialog der Kulturen' mit der Erkenntnis auf, dass man den Dialog
fortsetzen müsse. Es ist wie eine Reise zum Horizont: Man kann sicher sein,
dass man nie ankommen wird, aber unterwegs gibt es viel zu erleben. [...]
Wie sollen 'wir' die kulturelle Identität der islamischen Länder mehr
achten? Indem wir das schöne Ritual des freitagnachmittäglichen
Handabhackens auch bei uns einführen? Indem wir unsere Frauen zuerst genital
verstümmeln und dann unter Burkas und Tschadors verstecken? Indem wir
Homosexuelle öffentlich hängen und Ehebrecherinnen steinigen?
Und auf welche Provokationen sollten wir verzichten, um keine Gefühle von
Erniedrigung und Demütigung hervorzurufen? Sollen wir eine Liste der Themen
aufstellen, die unsere Karikaturisten nicht behandeln dürfen? Sollen wir den
Christopher Street Day abschaffen und auf den Genuss von Eisbein verzichten?
Soll Sasha Waltz ihre Tänzer nicht mehr nackt auftreten lassen? Sollen wir
uns jeden Hinweis darauf verkneifen, wie wenige Bücher in Saudi-Arabien
verlegt und übersetzt werden? Sollen wir auch bei uns die Fatwa einführen
und sie gegen Gotteslästerer anwenden? Sollen wir die Werke von Voltaire,
Freud und Rushdie verbieten? Wie soll die 'Partnerschaft auf gleicher
Augenhöhe' im Alltag funktionieren? Indem wir in die Knie gehen? [...]"