SPD
Ortsverein Eickel
Integration
Im WAZ Diskussionsforum (waz.de / Interaktiv / Forum / Politik),
Stand: 14.03.2006,
gibt es 555 Antworten zum Thema "Dänen vs. Moslems"
und 10862-mal wurde dieses Thema gelesen;
gibt es 193 Antworten zum Thema "Kopftuchverbot"
und 3251-mal wurde dieses Thema gelesen;
gibt es 198 Antworten zum Thema
"Islamischen Unterricht an deutschen Schulen ab 2010 !!"
und 2773-mal wurde dieses Thema gelesen.
Diese drei Diskussionsthemen belegen die Plätze eins, drei und vier.
Wohlgemerkt: Dies ist keine Expertenrunde. Dies sind WAZ-Leser aus dem
Ruhrgebiet. Wenn schon für ganz "normalen" Menschen diese Themen so einen
hohen Stellenwert haben, sollte uns dies zum Nachdenken bringen.
Weitere Themen sind darüber hinaus: "Euroislam und jüdische Identität",
"Islam; Religion des Friedens", "Islam eine Bedrohung für uns?", "El Kaida
droht Deutschland", "Was halten Sie eigentlich von Migranten?".
Die Aufzählung der Themen beschränkt sich hier nur auf die erste Seite des
Diskussionsforums. Es gibt insgesamt acht Seiten mit Diskussionsthemen.
Dazu bestehen auch Foren auf SPIEGEL-ONLINE
Was kann den Kampf der Kulturen verhindern? II
http://forum.spiegel.de/showthread.php?t=344
Ausländer-Integration vernachlässigt?
http://forum.spiegel.de/showthread.php?t=385
Eingereicht am 06.05.2006 von Christian Kleine-Krabbe
Zu diesem Thema gibt es Jeden Tag was in der Zeitung sowie im Fernsehen. Wer aufmerksam die Internetseite SPD-Eickel gelesen hat, bekommt für sich vielleicht einen besseren überblick zu diesem Thema.
Ich frage mich schon seit Wochen: Wo liegt eigentlich das Problem? Es gibt viele Menschen, die sich integrieren und welche die sich ausgeschlossen fühlen.
Woran liegt das?
Nur wenn man die Sprache des Landes in dem man lebt nicht beherrscht, gibt
es Kommunikationsprobleme und das Gefühl, nicht verstanden zu werden.
Was heißt Integration eigentlich?
Diese Frage sollte sich jeder stellen und für sich selber mal heraus finden,
um sich mit dem Thema intensiver zu beschäftigen.
Meine Meinung ist nicht spektakulär zu diesem Thema aber einfach. Alle Menschen müssen sich an das Grundgesetz sowie die Europäischen Gesetze in Deutschland halten wo alles geregelt ist.
Es gibt in jeder Gesellschaft Spielregeln, Grundwerte und die muss man akzeptieren oder versuchen, sie zu ändern.
Leider gibt es immer wieder Menschen in Deutschland, die nicht wissen was es heißt miteinander zu Leben. Ich bin es leid, dass viele Menschen die Demokratie und unseren Staat ausnutzen und nur Ihren Vorteil aus allem ziehen, aber nicht bereit sind, etwas zurück zugeben. Dies betrifft alle Menschen in Deutschland und deswegen noch mal meine Frage an alle Bürgerinnen und Bürger was heißt eigentlich Integration?
Eingereicht am 08.04.2006 von Ingrid Rösener
Lieber Ralf, liebe Leser des Forums,
bis zur Einrichtung hat es ja viele Diskussionen, viel Arbeit und auch manche
Meinungsverschiedenheit gegeben. Aber eines ist sicher - es wird eine neue
Möglichkeit geboten, und nun sind wir alle aufgerufen, diese auch zu nutzen.
Nicht nur das Thema Integration birgt viel Zündstoff in sich. Wir wollen und
müssen uns damit auseinandersetzen, dass nicht alles so läuft, wie wir es uns
vielleicht wünschen würden. Und das liegt an beiden Seiten, an uns Deutschen und
and den Migranten. Integration ist keine Einbahnstraße.
Als Leiterin eines Kindergartens mit 80% Migrantenkindern kann ich wohl mit
Recht sagen, dass ich die Probleme von beiden Seiten vor Ort erlebe. Und ich
freue mich darauf, hier mit anderen über diese Problematik diskutieren zu
können.
Ralf hat seine Sicht auch durch die Zeitungsartikel eingebracht - ich hoffe aber
darauf, dass andere auch ihre eigenen Worte benutzen. Es muss ja nicht immer ein
ganzer Roman sein!
In diesem Sinne wünsche ich dem Forum und damit uns allen viel Erfolg.
Eingereicht am 05.04.2006 von Ralf Frensel
Als ich mich vor einiger Zeit auf den Homepages von SPD und NRW-SPD zu
Migration und Integration informieren wollte, war das Ergebnis eher mau. So
lautet der Kommentar von Matthias Gebauer im Spiegel-Online vom 04.04.2006
denn auch:
Die Union prescht vor, um das brisante Thema in ihre Richtung zu lenken. Die
SPD zögert noch mit der Reaktion. Aber Streit ist programmiert. [...] Die
Stoßrichtung von Stoiber, Pflüger und Co. ist klar: Mit den einzelnen
Problemen in den Lehranstalten sollen sich die von Finanzengpässen geplagten
Länder abplagen - schließlich ist Bildung deren Sache. [...] Innerhalb der
SPD herrscht noch Schockstarre; kaum einer äußert sich überhaupt. Zum einen
hat man das Problem, mit dem Berliner Polit-Urgestein Helmut Böger, dem
Bildungssenator, den Verantwortlichen für die Schulmalaise in ihren Reihen
zu haben. Zugleich aber hat die SPD in den vergangenen Jahren keine eigene
Linie zu der immer brisanteren Frage der Integration gefunden. Statt zu
diskutieren, wurde viel laviert, kaschiert und weiterregiert. [...] Ein
Schlagabtausch innerhalb der bisher so harmonisch dahin regierenden
Koalition scheint unvermeidlich. Nun ist die Büchse der Pandora geöffnet,
die beim Koalitionspoker versiegelt wurde. Damals wie heute gab es zwischen
den Partnern zwei Modelle für den Umgang mit Ausländern. Während die SPD auf
mehr Geld für Integration setzt, will die Union mehr Gesetze und konkrete
Sanktionen. Am Ende konnte man sich auf wenig Gemeinsames einigen, die
Lösung liest sich gleichermaßen nichtssagend: "Die Integration von
Ausländern ist eine Querschnittsaufgabe. Sie bleibt Schwerpunkt der Politik
der Bundesregierung." Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel blieb bei ihrer
Regierungserklärung lieber schwammig. Dort ernannte sie die Integration zur
"Schlüsselaufgabe unserer Zeit". [...] Die SPD wird sich schnell um konkrete
Vorschläge bemühen müssen, um in der hitzigen Diskussion nicht unterzugehen.
Dabei wird die Partei nicht umhin kommen, auf die Union zuzugehen und auch
einigen Sanktionen zuzustimmen. Schnell müssen die SPDler deshalb einen
Fahrplan ausarbeiten, um am Ende mit einer Stimme sprechen zu können.
Ausgeblendet ist bei allen Diskussionen der historische Aspekt. Wie
konnte es dazu kommen? Von Claus Christian Malzahn kommt im Spiegel-Online
vom 05.04.2006 der Hinweis:
Es ist deshalb höchste Zeit, mit ein paar Mythen aufzuräumen: Weder Rot-Grün
oder die naiven Multikulti-Befürworter tragen die Hauptschuld an der
jetzigen Integrationsmisere. Der Mann heißt Helmut Kohl.
Einwanderungspolitik hat diesen Kanzler, der das Land immerhin von 1982 bis
1998 regierte, trotz türkischer Schwiegertochter nicht interessiert. Eisern
wurde am deutschen Blutrecht festgehalten, Einwanderung wurde nicht
gesteuert, sondern entwickelte sich anarchisch über das Asylrecht oder den
Nachzug von Gastarbeiter-Familien. Für in Deutschland lebende ausländische
Kinder galt damals nicht einmal grundsätzlich die Schulpflicht - wer nur
"geduldet" wurde, brauchte ja nicht Lesen und Schreiben zu lernen.
Als in Deutschland dann Anfang der Neunziger Jahre in Solingen, Mölln und
Rostock-Lichtenhagen Menschen verbrannt wurden und Flammen aus
Asylunterkünften loderten - war Kohl nicht da. Der Mann, der so viel über
die Macht von Symbolen wusste, ließ sich mit den ausländischen Opfern nicht
fotografieren. Er besuchte nicht einmal die Tatorte. Warum? Weil die Opfer
keine Deutschen waren? Die Antwort steht noch aus. [...] Liebe Konservative:
Kapiert endlich, dass dieses Herkunftsland Deutschland heißt. Multikulti ist
eine Realität. Es gibt keinen Weg zurück zu einem "ethnisch begradigten"
Deutschland. Liebe Große Koalition: Ihr seid dabei, die Chance auf die
zweite deutsche Einheit zu verspielen - die republikanische Einheit der
Einwanderungsrepublik Deutschland. Liebe Sozialdemokraten: Wie soll man
eigentlich Euer dröhnendes Schweigen in dieser wichtigen Zukunftsdebatte
deuten? Es gibt Wege aus der Multikulti-Krise. Man muss sie nur gehen
wollen. Wie wäre es denn mal mit einem Gesetz zur automatischen Einbürgerung
jedes in Deutschland geborenen Kindes? Das wäre doch mal ein echtes Angebot.
Warme Worte hat es in der Vergangenheit genug gegeben. Was die Republik
jetzt braucht, ist eine ehrliche, selbstkritische Bilanz. Weder
multikulturelle Verklärung noch hysterische Warnrufe helfen weiter. Wer
sagt, dass mit den Ausländern etwas falsch läuft, denkt immer noch in den
alten Kategorien von "Die" und "Wir". Er vergisst beispielsweise, dass die
Leidtragenden der Bildungsmisere an Lehranstalten wie der Rütli-Schule in
erster Linie die Kinder und Jugendlichen aus Einwandererfamilien sind. [...]
Die Sache ist ziemlich simpel, liebe ausländischen Interessensverbände: Ohne
deutsche Sprache läuft in Deutschland nichts - Punkt. Mit Diskriminierung
hat das aber auch nicht das Geringste zu tun. Wer will, das sein Kind in
Deutschland eine Zukunft hat, sollte ihm besser heute als morgen einen Duden
und eine Grammatikfibel besorgen.
Eingereicht am 30.03.2006 von Ralf Frensel
Und was kommt von den Betroffenen selbst? Der Integrationsrat in der Stadt Herne hat sich bisher mehr mit seiner internen demokratischen Selbstfindung beschäftigt als zur Integration beizutragen. Von unseren Mitbürgern mit Migrationshintergrund habe ich in eigener Sache mehr erhofft. Fast eineinhalb verlorene Jahre - ich hoffe, sie werden uns nicht später einmal fehlen.
Der SPD-Ortsverein Eickel bietet eine Mitgliederversammlung zum Thema Integration an.
Eingereicht am 26.02.2006 von Ralf Frensel
Integration und Identität - Ausländer in Westfalen"
Ist es für Ausländer möglich, sich in ihrer neuen Heimat Deutschland zu
integrieren und trotzdem ihre eigene Identität zu bewahren? Kann Deutschland,
kann Westfalen, überhaupt zu einer neuen Heimat für Immigranten werden? Das
Spannungsverhältnis von Integration und Identität von Ausländern in Westfalen
stand am 25. Oktober 2005 im Mittelpunkt des 7. Westfalenforums, zu dem der
Westfälische Heimatbund gemeinsam mit dem Verein Westfalen-Initiative in das
Landeshaus in Münster eingeladen hatte. Jochen Welt, Landrat des Kreises
Recklinghausen und ehemaliger Beauftragter der Bundesregierung für
Spätaussiedlerfragen, und Lamya Kaddor, M.A., Assistentin am Lehrstuhl für
Religion des Islam an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und
Lehrerin für Islamunterricht, hielten die in dieser Zeitschrift abgedruckten
Vorträge.
Auf dem Podium diskutierten Christiane Certa, Sozialplanerin der Stadt
Dortmund, Rudolf Elhardt, Lehrer an einer Siegener Hauptschule, sowie
Weihbischof Dr. Josef Voß, Münster. Moderiert wurde die Diskussion von dem
Politikwissenschaftler Prof. Dr. Rüdiger Robert (Westfälische
Wilhelms-Universität Münster).
Wer kennt sie nicht: Hamit und Halil Altintop, Gerald Asamoah, Kevin
Kuranyi, MiroslavKlose, Nuri Sahin, - erfolgreiche Spieler in der Deutschen
Bundesliga und in der Fußball-Nationalmannschaft. Aber obwohl sie alle in
Deutschland leben, überwiegend sogar in Westfalen, teilweise auch hier geboren
sind, haben sie nicht alle die deutsche Staatsbürgerschaft und spielen
folglich auch nicht alle in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft:
Die deutsche Staatsbürgerschaft haben: Gerald Asamoah - geboren in Ghana,
Miroslav Klose - geboren in Polen, Kevin Kuranyi - geboren in Brasilien.
In Deutschland geboren sind: Hamit und Halil Altintop - beide Brüder sind
türkische Staatsbürger, Nuri Sahin - türkischer Staatsbürger, mit 17 jüngster
Bundesliga- und jüngster Nationalspieler! Was haben diese Namen mit
Integration und Identität, dem Thema des heutigen 7. Westfalenforums, zu tun?
Bevor ich Ihnen diese Frage beantworte, möchte ich aber noch einige Fakten
nennen. Die Landesstatistik 2003 weist für die Regierungsbezirke Arnsberg,
Detmold und Münster - also für Westfalen - eine Gesamtbevölkerung von etwa 8,4
Millionen Menschen aus, davon sind knapp 800.000 als Ausländer registriert,
was einem Anteil von 9,5 Prozent entspricht. Fs ist also keine kleine
Bevölkerungsgruppe, über die wir reden.
Und wir reden - zugegeben - in erster Linie über türkische Staatsbürger, deren
erste Generation als Gastarbeiter ab Mitte der 60er Jahre nach Deutschland kam
und erst als Folge des Anwerbestopps nach dem ersten, durch die
Ölpreis-Erhöhung ausgelösten Konjunktureinbruch Anfang der 70er Jahre ihre
Familien nachholten und blieben.
Westfalen - und insbesondere das Ruhrgebiet - blickt eigentlich auf zwei
Einwanderungswellen in rund 100 Jahren zurück: Denn um die Wende vom 19. zum
20. Jahrhundert waren es die Polen, die scharenweise vom aufblühenden Bergbau
angeworben wurden.
Recklinghausen war seinerzeit die Stadt mit dem höchsten Anteil polnischer
Bevölkerung, woraus u.a. resultiert, dass der Bund der Polen in Deutschland
seinen Sitz in Recklinghausen hat.
Anlässlich der jüngsten deutsch-polnischen Feiern zum 60. Jahrestag des Endes
des Zweiten Weltkrieges hieß es, rund 12 Prozent der jetzigen Stadtbevölkerung
seien polnischer Abstammung. Davon ist im Alltagsleben der Stadt nichts zu
spüren. Abgesehen von den polnisch klingenden Namen, denen wir begegnen, gibt
es keine polnischen Läden, keine polnischen Religionsstätten, keinen
polnischen Kleidungsstil, keine anderen Fest-Kalender.
Wohl aber ist in Recklinghausen sichtbar, in welchen Stadtteilen Schwerpunkte
türkischen Lebens liegen. Das reicht von dem Minarett-Turm der einzigen, auf
einem Hinterhof stehenden Moschee über eine Vielzahl von
Einzelhandelsgeschäften bis hin zu Fahrschulen und - natürlich - den vielen
Teestuben, in denen sich ausschließlich türkische bzw. muslimische Männer
treffen. Die Frauen, die überwiegend - unabhängig vom Alter - ein Kopftuch
tragen, prägen in diesen Stadtteilen und Quartieren das Straßenbild.
Die türkischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sind also dem Anschein nach
Ausländer" - selbst dann, wenn sie die deutsche Staatsbürgerschaft haben, wie
es auch bei vielen türkischstämmigen Vertretern im Ausländerbeirat bzw.
Integrationsrat der Stadt der Fall war. Integrationsrat - ein Stichwort, zu
dem ich später noch etwas sagen möchte.
Doch zunächst zurück zu der Frage, weshalb ich eingangs von den Brüdern
Altintop, von Gerald Asamoah, Kevin Kuranyi, Miroslav Klose und Nuri Sahin
sprach. Nun, zum einen, weil es sich um Ausländer in Westfalen handelt, zum
anderen, weil ich an diesem Beispiel etwasdeutlich machen möchte: Integration
und Identität hängen nicht in erster Linie ab vom Geburts- oder
Aufenthaltsland, auch nicht von der Staatsbürgerschaft, sondern überwiegend
von ganz anderen Faktoren. Identität, und das ist meine Erfahrung als
ehemaliger Aussiedler- und Minderheitenbeauftragter der Regierung Schröder,
ist in erster Linie eine Frage des zwar individuellen, aber im wesentlichen
kulturell geprägten Selbstverständnisses.
Welcher deutsche Nationalspieler hätte wohl sein erstes Tor seinem
verstorbenen Großvater gewidmet, wie es Nuri Sahin tat? Und was sagt uns das
über den Stellenwert und den Einfluss der Familie - in der deutschen Kultur,
in der türkischen Kultur? Nuri Sahin ist erst 17 Jahre alt - und er stand vor
einer schweren Entscheidung, die er nicht alleine treffen wollte oder konnte:
Nuri Sahin ist in Lüdenscheid geboren, in Westfalen aufgewachsen, hat einen
Vertrag bei Borussia Dortmund und will sein Abitur machen. Warum wird er nicht
deutscher Nationalspieler? Weil seine Familie ihm sagte: Du bist türkischer
Abstammung, du stehst in unserer Tradition, du bist und bleibst Türke!
Warum sagte seine Familie ihm das? Und was konnte sie ihm zu Recht und mit
Recht sagen? Sprechen konnte die Familie mit Recht und zu Recht von der
eigenen Tradition, der Herkunft, dem eigenen Stolz auf die türkische Heimat
und Kultur. Aber konnte sie mit Recht und zu Recht einem 17-Jährigen sagen, du
bist zwar in Deutschland aufgewachsen und wirst wahrscheinlich dein Leben lang
in Deutschland bleiben - doch Deutscher wirst du dennoch niemals werden?
Aus meiner Zeit als Aussiedlerbeauftragter weiß ich, wie innig und konsequent
deutschstämmige Polen und Russen an ihrer deutschen Herkunft und Identität
festhielten und stets von der Rückkehr bzw. Ausreise in das Land ihrer
Vorfahren träumten - und welche Probleme ihre Söhne und Töchter hatten, als
diese Rückkehr in die Fremde" dann tatsächlich stattfand.
Es sind zweifellos staatsrechtlich gesehen Deutsche - aber ob sie selbst sich
irgendwann als Deutsche sehen werden, ist noch sehr ungewiss. Erst mit
geklärter eigener Identität, mit einem gefestigten Selbstverständnis als
Individuum und als Teil eines sozialen Gemeinwesens, erst dann kann man
überhaupt das Problem der Integration in eine andere, in eine aufnehmende
Gesellschaft angehen.
Oder, anders formuliert: Wenn wir wollen, dass sich aus dem Ausland kommende
Familien über die nachwachsenden Generationen in unsere eigene Gesellschaft
integrieren, müssen wir ihnen erst eine ganze Reihe von Chancen und Angeboten
unterbreiten: Die Chance, sich selbst als wertvoll und einzigartig zu
begreifen. Die Chance, die eigenen kulturellen Wurzeln kennen zu lernen und
sie zu respektieren und von anderen respektiert zu sehen. Das Angebot, unsere
Sprache, unsere Geschichte, unsere Kultur kennen zu lernen, ohne unsere Werte
und Verhaltensmuster gleich zu 100 Prozent verinnerlichen oder nachahmen zu
müssen.
So wie sich in der Pubertät unsere Söhne und Töchter zunächst einmal von uns
abwenden und sich ab- und einkapseln, um sich selbst und ihre eigenen Werte
und Ziele zu definieren, um uns dann als erwachsene Menschen zu echten
Partnern zu werden, so müssen auch Ausländer" erst zu sich selbst finden und
als sie selbst von uns geachtet werden, damit sie auch uns achten können.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wer in Deutschland lebt,
sollte die deutsche Sprache so gut wie möglich beherrschen, der sollte unsere
Gesetze achten und befolgen. Das sind die Grundvoraussetzungen für ein
konfliktfreies Neben- und ein Verständnis suchendes Miteinander.
Aber wir dürfen uns auch nicht vor den wissenschaftlichen Erkenntnissen
verschließen, die Eingang gefunden haben in das sogenannte Rucksack-Programm,
das in Kindertagesstätten zu guten Ergebnissen geführt hat.
Kern dieses Programms ist die Überlegung, die Mütter von nicht-deutsch
sprechenden Kindern in Sprachübungen einzubeziehen - und zwar in doppeltem
Sinne: Einmal hinsichtlich des gleichzeitigen Erlernens der deutschen Sprache
durch Mutter und Kind, zum anderen zur Förderung der Kontakte untereinander
und mit den Erzieherinnen in der Einrichtung.
Es kann keine Integration geben, wenn nicht-deutschstämmige Jugendliche sich
als Verlierer fühlen, wenn sie schlechtere Schulabschlüsse erzielen, keinen
Aus-bildungs- und keinen Arbeitsplatz finden und letztlich vom deutschen Staat
über Arbeitslosengeld und Sozialhilfe in ihrer Existenz finanziert werden
müssen.
Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist sozialer Sprengstoff! Und zwar
von beiden Seiten! Von der Seite derer, die sich als Verlierer fühlen, und von
Seiten derer, die sich als Geldgeber fühlen! Es gibt viel Einsicht in diese
Problematik, viele gute Worte und Ideen, wie der sprachlichen, sozialen und
gesellschaftlichen Benachteiligung unserer ausländischen Mitbürgerinnen und
Mitbürger begegnet werden könnte.
Von Sprachförderung ist immer wieder die Rede, aber auch von speziellen
Jugend- und kulturpolitischen Maßnahmen und Angeboten. Spezielle Angebote gibt
es auch für deutsche Jugendliche - das ist nichts Besonderes. Grundsätzlich
ist der Gedanke ja richtig, auf spezielle, bestimmte Gruppen besonders
treffende Probleme mit speziellen Programmen und Angeboten zu reagieren, um
erkannte Chancen-Ungleichheiten auszugleichen.
Das ist das tägliche Geschäft des Sozialstaats - ob wir über
Arbeitsmarktprogramm für ältere Arbeitnehmer, über überbetriebliche
Ausbildungsstellen oder die Grundsicherung im Alter sprechen - das alles sind
spezielle Maßnahmen und Programme für spezielle Zielgruppen, um ihnen in
unserer Gesellschaft wenigstens in Ansätzen eine Chancengleichheit zu sichern.
Warum aber tun wir uns so schwer, wenn wir über spezielle Angebote für
ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger sprechen? Natürlich gilt auch hier
im Prinzip der Grundsatz des Förderns und Forderns", den wir uns dank der
Hartz-Programme sehr schnell nicht nur sprachlich zu eigen gemacht haben.
Natürlich gilt auch beim Fördern und Fordern" im Prinzip der Grundsatz der
Eigenverantwortung, des aktiven Handelns eines Einzelnen zur Entfaltung seiner
eigenen Fähigkeiten und der Verwirklichung seiner eigenen Ziele. Der Staat und
die Gesellschaft können und werden niemals in der Lage sein, individuelles
Handeln zu ersetzen.
Aber sie könnten gerade bei Ausländern deren eigene Anstrengungen zur
Ausformung einer Identität in vielerlei Aspekten nicht nur fordern, sondern
sie im gesamtgesellschaftlichen Interesse auch unterstützen und respektieren,
zum Beispiel durch die Anerkennung einer doppelten Staatsbürgerschaft.
Wir alle lehnen im Übrigen staatlichen Totalitarismus ab, die von einigen
wenigen bestimmten Ziele für ein ganzes Volk, für eine ganze Bevölkerung.
Warum verstehen wir dann Integration oft genau so - unausgesprochen oder
ausgesprochen als Forderung, unsere deutschen" Werte und Normen müssten
verbindlich sein für alle, die in Deutschland leben und arbeiten? Warum nicht
mehr Toleranz und Respekt voreinander - gegenseitig, versteht sich, aber
durchaus als bewusste Vorleistung unsererseits.
Natürlich gibt es eine ganze Reihe konkreter Beschwerden im Alltagsleben
zwischen den Deutschen in langer Generationenfolge und den zugewanderten oder
eingebürgerten Ausländern - vor allem dann, wenn sie - wie es bei Muslimen der
Fall ist - auf Grund ihrer Religion ein völlig anderes Alltagsleben führen.
Die Angst vor dem Anderen, vor dem Anderssein, vor dem Fremden, ist eine
Ur-Angst des Menschen. Auch die Aufklärung, auch die Appelle an die Ratio,
auch der Kategorische Imperativ eines Immanuel Kant haben daran nicht viel
ändern können.
Der Mensch ist auch ein biologisches Wesen, und was in unseren Genen an
Reflexen und - in früherer Zeit - lebenserhaltenden Vorbehalten gegenüber
Menschen, die nicht der eigenen familiären oder sozialen Gruppe angehören,
enthalten ist, kann noch kein Wissenschaftler definitiv beschreiben.
Aber - machen wir uns nichts vor - diese Gefühle sind da: Misstrauen,
Zurückhaltung, Abgrenzung, Neid, Missgunst, Angst. Menschliche Eigenschaften,
die sich gegenüber dem Nächsten zeigen, aber noch viel stärker gegenüber dem
Fremden, was auch immer ihn in den eigenen Augen zum Fremden macht.
Es ist und bleibt Aufgabe der Politik, Lösungen für Probleme zu finden, die
das friedliche Zusammenleben der Menschen bedrohen, seien es Klima- oder
Naturkatastrophen, seien es nationale Konkurrenzen, seien es soziale
Spannungen.
Neben dem Appell an alle Bevölkerungsteile zu gegenseitigem Respekt und
gegenseitiger Achtung ist es mithin auch Aufgabe der Politik, konkrete
Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die eine Problemlösung ermöglichen könnten.
Das können Förderprogramme sein, das können besondere, gemeinsame Projekte
sein, das kann auch ein Integrationsrat sein. Es ist in der kommunalen Politik
eine in letzter Zeit oft zu beobachtende Entwicklung, bestimmten
Bevölkerungsgruppen über die Einrichtung von Sondergremien ein direktes,
eigenes Mitspracherecht an kommunalen Entscheidungen einzuräumen. In
Recklinghausen gibt es mittlerweile fünf solcher Sondergremien: Den
Integrationsrat, den Seniorenbeirat, das Kinder- und Jugendparlament sowie die
Ratskommissionen für Behinderten- und für Frauenangelegenheiten.
Zuweilen erscheint dieser Weg als irrig: Wie können Sondergremien zur
Integration, zur Einbeziehung, beitragen? Ist das nicht ein Widerspruch in
sich? Und doch erleben gerade Menschen, die sich oft ignoriert fühlen, es als
äußerst aufwertend, über den Weg dieser Sondergremien erstens mit Rechten
ausgestattet zu werden, und zweitens tatsächlich dort Gehör zu finden, wo sie
die Zuständigkeit für die Lösung einiger ihrer Probleme sehen.
Sie fühlen sich wahrgenommen, sie fühlen sich anerkannt, sie fühlen sich
respektiert. Darüber hinaus gelangen die speziellen Interessen dieser
Bevölkerungsgruppen die immer auch Schnittmengen bilden, was nicht vergessen
werden sollte - über diese Sondergremien ungeschminkt und ungefiltert direkt
in jenen politisch-administrativen Apparat und Prozess, den wir als
Kommunalverwaltung kennen.
Dabei sehe ich gerade in den Integrationsräten eine Schnittstelle, wie sie
integrationsfördernde Netzwerke zwischen Betroffenen und Entscheidungsträgern
brauchen. Denn in den Integrationsräten sind nicht nur Frauen und Männer mit
Migrations-Hintergrund" vertreten, wie es so schön heißt, sondern auch
Ratsmitglieder, und zwar nicht nur beratend, sondern stimmberechtigt. Und das
bedingt und ermöglicht einen direkten Dialog.
Dieser Dialog hilft beiden Seiten, wenn es darum geht, Hintergründe zu
verstehen. Hintergründe für gestellte Anträge, aber auch Hintergründe für die
Abänderung oder Ablehnung von Anträgen. Der direkte Dialog bedingt eine
ausführlichere Diskussion und differenziertere Argumentation.
Immer wieder betonen wir, welchen Stellenwert die Kommune hat, wenn es um das
tatsächliche Er-Leben und Vor-Leben demokratischer Prozesse geht. Fs sind auch
die Kommunen, das unmittelbare Lebensumfeld, in denen sich die Prozesse der
Identitätsfindung und Integration vollziehen.
Wenn am Tag der Deutschen Einheit zugleich der Tag der offenen Tür bei
Moscheen stattfindet, ist das ein Angebot an uns alle, es ist eine Öffnung
unserer christlichen Gesellschaft gegenüber. Die Zahlen, die der Zentralrat
der Muslime in Deutschland nannte, belegen durchschnittlich 100 Besucherinnen
oder Besucher pro beteiligter Moschee - das ist nicht viel, aber es ist ein
guter Anfang.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ausländer in Westfalen, Integration
und Identität - wer in Westfalen lebt, fühlt sich noch lange nicht als
Westfale - aber auch das hat nichts mit Staatsbürgerschaft, sondern mit dem
Wissen und der Auseinandersetzung mit der Geschichte des eigenen
Lebensumfeldes zu tun. Wenn wir Integration verstehen als konfliktfreies
Nebeneinander unterschiedlicher sozialer Gruppen in einem gemeinsamen Umfeld,
dann sind wir davon gar nicht so weit entfernt. Es gibt viele Kenner, die in
New York nicht den großen Schmelztiegel vieler Nationalitäten sehen, in dem
alle gleich sind und gleich sein wollen, sondern einen Ort, an dem alle um die
gleichen Chancen kämpfen, die eigene Identität wahren und die eigenen Träume
leben zu können.
Ich finde, das ist eine realistische Sicht der Dinge, und wenn Menschen
einander respektieren und sich gemeinsam gleiche Lebens-Chancen erarbeiten,
ist damit schon sehr viel erreicht. Und dann spielt es auch keine Rolle, ob
Nuri Sahin bei der Fußball-Weltmeisterschaft für Deutschland oder für die
Türkei spielt - unsere Freude am sportlichen Wettkampf wird darunter nicht
leiden!