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Dazu besteht auch ein Forum auf SPIEGEL-ONLINE
Gewalt an Schulen - Brechen alle Dämme?
http://forum.spiegel.de/showthread.php?t=382

 

Eingereicht am 01.04.2006 von Ralf Frensel

Das Maß ist voll: Weil sie die Gewalt an ihrer Schule nicht mehr in den Griff bekommt, bittet eine Rektorin in Berlin nun um die Schließung ihrer Schule. Ein sicherer Unterricht sei in dem brutalen Chaos an der Hauptschule schlicht nicht mehr möglich.

An der Berliner Rütli-Hauptschule kapitulieren verzweifelte Lehrer vor der Eskalation der Gewalt. Kein Einzelfall, sagt die Polizeigewerkschaft: An mindestens 30 Schulen der Hauptstadt sei die Lage außer Kontrolle. Nach dem Hilferuf steht die Rütli-Hauptschule in Berlin unter Polizeibeobachtung.

Der Diskussionsverlauf um die Gewaltexzesse an der Rütli-Schule ist absehbar: Die Konservativen erklären Multikulti für gescheitert, die Linken werden mehr Sozialarbeiter fordern. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit vernünftiger Politik, fragt der grüne Europaabgeordnete Cem Özdemir. (Alle Zitate aus "Spiegel-Online")

Die "Offenbacher Post" schreibt "Immerhin, indem die Rütli-Lehrerschaft mit ihrem Brandbrief schlafende Hunde weckte, wurde endlich einmal eine breite Öffentlichkeit sensibilisiert. Jetzt können die Verantwortlichen für Bildung, Integration und Sicherheit nicht mehr so tun, als gäbe es kein Gewaltproblem an unseren Schulen". Die "FAZ" meint dazu "Die wenigen deutschstämmigen Schüler in Neukölln, die dort 'Schweinefresser' heißen, wissen immerhin, was nach der Schule auf sie zukommt: ein Leben als Minderheit". (zitiert nach "WAZ")

Und was hat dies mit unserem friedlichen Eickel zu tun, in dem es so wenige Ausländer gibt, dass ein türkischer Obst- und Gemüsehändler auf der Königstraße sein Geschäft nach kurzer Zeit wieder geschlossen hat - zu meinem Bedauern, die Tomaten dort waren immer knackfrisch.
Es redet niemand darüber - aber man weiß es und handelt still danach: Wenn durch die Freigabe der Grundschulbezirke freie Schulortwahl möglich ist, wird das gleiche geschehen, wie bei der Auswahl der weiterführenden Schulen, es entsteht ein Schultourismus. Einer meiner Freunde, der in Eickel zur Grenze nach Wanne-Süd wohnt und für seine Tochter keinen Platz mehr an den überfüllten Gesamtschulen bekommt, will sie an einer Hauptschule in Herne-Süd anmelden, in der Hoffnung, dass "dort die Schüler nicht erst Deutsch lernen müssen. Dann soll meine Tochter lieber jeden Tag mit dem Bus nach Herne fahren".

Das Unbehagen über eine verfehlte Integrationspolitik hat auch Eickeler Eltern erreicht.

Weder Schule noch Polizei können isoliert die Problematik lösen, die sich seit Jahren aufgebaut hat und trotz zahlreicher Mahnungen als gesellschaftliche Aufgabe nicht ernst genug genommen worden ist. Warum ist bisher so wenig getan worden? In die Verantwortung dafür dürfen auch diejenigen genommen werden, die eine offene, ehrliche und sachliche Diskussion über das Einwanderungsland Deutschland bisher verhindert haben mit dem Totschlag-Argument "Das ist ausländerfeindlich".

Ohne den mutigen Aufschrei aus der Berliner Rütli-Hauptschule wäre wohl auch der Artikel in der WAZ vom 04.04.2006 von Ute Eickenbusch nicht erschienen:
Mit gemischten Gefühlen wird in diesen Tagen in Herne vernommen, was als "Gewalt an Hauptschulen" zum Top-Thema avanciert ist. "Riesenprobleme" bestätigt etwa Gerd Nowack, und doch nicht die "verschärfte Form" wie in Berlin. Nowack leitet seit 26 Jahren die Hauptschule am Hölkeskampring. Eine von noch sieben im Stadtgebiet, eine mit einem relativ geringen Migrantenanteil von knapp 10 %.

Was Nowack am meisten ärgert: "Alle Vorschläge und Hilferufe sind im Papierkorb gelandet." Denn es ist ja nicht so, als hätten sie nichts gefordert von der Politik. Klassen mit 20 statt mit 30 Kindern z. B., und Sozialpädagogen. Eine haben sie jetzt am Hölkeskampring, mit 18 Stunden für knapp 600 Schüler.

Schlimm findet der Schulleiter die Perspektivlosigkeit, die er seinen Abgängern auch nicht nehmen kann: "Von 88 haben am heutigen Tag drei eine Lehrstelle." Für den Schulalltag hat Nowack seinen Weg gefunden: konsequent eingreifen bei Fällen von Gewalt, Taschen kontrollieren, "zweimal die gelbe Karte", dann ist Schluss. Gerne würde er die Übeltäter am Wochenende im Altenheim einsetzen, doch dazu fehlt die Handhabe. Über die Stimmung im Kollegium sagt Nowack nur soviel: "Einige regeln das alleine, andere brauchen Rückendeckung."

Mit einer noch schwierigeren Schülerschaft haben es die Lehrer an der Neustraße zu tun, wo die Hälfte keinen deutschen Pass hat. Sie kommen, wie Schulleiter Rainer Ruth berichtet, aus 22 Nationen und bringen völlig unterschiedliche Bildungshintergründe mit. "Manche haben in ihrem Heimatland gar keine Schule besucht." Einige landen auf der Förderschule, andere am Gymnasium, die Spannbreite ist gewaltig. Dass Studenten der Bochumer Ruhr-Uni seiner Schule eine geringe Gewaltbereitschaft bescheinigt haben, erklärt Ruth mit den vielfältigen Anstrengungen: klare Regeln wie Handyverbot, intensive Sprachförderung, Programme zum sozialen Lernen und zur Wertevermittlung, Ausbildung zum Streitschlichter und Sporthelfer, intensive persönliche Zuwendung, eingehende Kontakte mit den Eltern.

Das alles, um zu vermitteln: "Ihr seid wertvoll, wir brauchen euch." Diese Förderung, glauben Ruth wie Nowack, sei nicht mehr möglich, wenn Haupt- und Gesamtschule zusammengelegt würden. "Wenn überhaupt, dann eine SEK I über alle Schulformen", meint auch Rainer Fercke, Leiter der Wanner Melanchthonschule. "Oder man stattet die Hauptschule besser aus." Nur dank eines Überhangs sei die Schule, die ebenfalls auf intensive Förderung Wert legt, heute noch komfortabel mit Lehrern versorgt.

Mehr Lehrer, mehr Sozialpädagogen und ein Ganztagsbetrieb sind auch für Peter Velten (GEW) mögliche Wege aus dem Hauptschul-Dilemma. Noch lieber wäre ihm aber das skandinavische Modell: "Bis zur 8, 9 oder 10 bleiben alle zusammen, erst danach gibt es eine gewisse Differenzierung."