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Peter Struck
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Peter Struck

Interview mit SPD-Fraktionschef Peter Struck
Süddeutsche Zeitung vom 19.01.2002

Die guten Umfragewerte der Union seien ein vorübergehendes Phänomen, glaubt Peter Struck. Der SPD-Fraktionschef sieht positive Anzeichen für die Wirtschaft und setzt darauf, dass diese auch die demoskopischen Werte der SPD wieder steigen lassen. In der Arbeitsmarktpolitik räumt Struck Versäumnisse ein. Wenig freundliche Worte findet er allerdings für den grünen Koalitionspartner. Dessen Profilierung auf Kosten der SPD will Struck nicht hinnehmen.

SZ: Herr Struck, haben Sie Sorge um Ihr schönes Amt?

Struck: Nein, warum sollte ich?

SZ: Weil womöglich bald viele Fraktionschef werden wollen, wenn es das Kabinett Schröder nicht mehr gibt.

Struck: Ihre Annahme ist unrealistisch. Ich gehe fest davon aus, dass wir die stärkste Fraktion im Bundestag bleiben, und ich könnte mir vorstellen, wieder als Fraktionschef zu arbeiten.

SZ: Ihre Umfragewerte brechen ein. Warum?

Struck: Erstens wegen der Kanzlerkandidaten-Entscheidung der Union. Das gibt sich wieder. Zweitens wegen der negativen Stimmung im Land aufgrund der Arbeitslosenzahlen.

SZ: Neben der Stimmung ist ja auch die Lage schlecht.

Struck: Die Realitäten in manchen Branchen sehen anders aus. Es gibt positive Signale aus den USA. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir im September, wenn gewählt wird, einen Aufschwung haben werden – ein Erfolg unserer Regierungspolitik.

SZ: Komische Logik: Für den Abschwung sind die USA verantwortlich, für den Aufschwung die Regierung?

Struck: Gar nicht komisch, sondern logisch. Erstens greifen Reformen wie Haushaltskonsolidierung und Steuerreform erst nach einer gewissen Zeit. Und zweitens ist in keinem europäischen Land die Verknüpfung mit der US-Wirtschaft so groß wie bei uns.

SZ: Kein Grund zur Selbstkritik?

Struck: Wir hätten in der Arbeitsmarktpolitik beim Thema der geringfügig Beschäftigten eher zu konkreten Schritten kommen müssen. Das Mainzer Modell wurde seit einiger Zeit erprobt. Man hätte sich schneller darauf verständigen können. Und wir haben bei den Arbeitslosen zu wenig auf Qualifizierung gedrängt. Wenn man 1,2 Millionen freie Jobs hat und andererseits vier Millionen Arbeitslose, muss man auf die Menschen einwirken, angebotene Jobs anzunehmen. Genau das haben wir jetzt mit dem Job-Aqtiv-Gesetz gemacht.

SZ: Was ist los bei Rot-Grün? Der Kanzler blafft die Grünen an: Was wollt ihr eigentlich noch hier? Auch Sie haben nicht gerade Süßholz geraspelt.

Struck: Die Grünen hatten zuletzt ein seltenes Talent, rot-grüne Projekte mies zu machen. Sie haben gemeinsam verabredete Maßnahmen wie das Job-Aqtiv-Gesetz zur Seite gelegt und gesagt: Das hat nichts genützt. Und es war unsinnig, der SPD mangelnde Handlungsbereitschaft zu unterstellen.

SZ: Unter Ihren Leuten ist doch vor lauter Angst auch ein Ideenwettbewerb ausgebrochen.

Struck: Das kritisiere ich auch. Ich sehe keinen Grund für Nervosität und Hektik. Es hat keinen Sinn, wegen Stoiber von der Politik der Vernunft abzuweichen.

SZ: Warum hat Rot-Grün den Start ins Wahljahr so verstolpert?

Struck: Das sehe ich nicht so. Es ist immer so, dass in Wahljahren zwischen Koalitionspartnern Aufgeregtheiten aufkommen. Jeder arbeitet wieder mehr auf eigene Rechnung. Ich verstehe das bei den Grünen sogar, weil sie sich schon Sorgen machen müssen. Es ist aber nicht unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Grünen besser dastehen. Das müssen sie selbst tun und nicht auf unsere Kosten. Das läuft so nicht.

SZ: Tun sie nichts, schimpft man sie Schlappschwänze. Tun sie was, werden sie als renitent abgebürstet.

Struck: Mein Appell ist: Macht ruhig ein Wahlprogramm, das in einigen Punkten unterschiedlich ist zu dem, was wir verabschieden werden. Aber die Koalitionspolitik muss gemeinsam und erfolgreich zu Ende gebracht werden.

SZ: Zu Ende gebracht werden?

Struck: Ob es wieder Rot-Grün geben wird, hängt von den Grünen ab. Ich will mich nicht einmischen, aber ich würde ihnen empfehlen, dafür zu sorgen, dass – so wie bei uns – Kandidaten aufgestellt werden, auf die man sich verlassen kann, wenn es hart auf hart kommt wie im Vorjahr bei der Vertrauensfrage von Gerhard Schröder. Zweitens rate ich, mit einem Spitzenkandidaten Joschka Fischer anzutreten. Das ist ein Pfund, mit dem sie wuchern können.

SZ: Warum machen sie keine klare Koalitionsaussage?

Struck: Man muss nicht mit einer Koalitionsaussage in den Wahlkampf gehen. Jede Volkspartei muss sich bemühen, allein zu regieren. Wenn der Wähler noch nicht soweit ist, dass er uns allein das Vertrauen gibt, müssen wir uns einen Koalitionspartner suchen, bei stabilen Mehrheiten vorzugsweise die Grünen.

SZ: ...Der Wähler noch nicht so weit ist? Wovon reden Sie? Die SPD liegt bei 35 bis 36 Prozent!

Struck: Wir hatten 1998 ein gutes Ergebnis. Da etwa müssen wir liegen, wenn wir weiter regieren wollen.

SZ: Zusammenarbeit mit der PDS...

Struck: ...wird es keinesfalls geben.

SZ: Auch keine Duldung?

Struck: In keiner Form.

SZ: Die Stärken des Kandidaten Stoiber sind...?

Struck: Er steht einer Partei vor, die sehr geschlossen ist, und er steht einem Land vor, das sich wirtschaftlich sehen lassen kann. Beides ist nicht sein Verdienst, aber es kommt ihm zugute.

SZ: Und die Schwächen?

Struck: Stoiber ist Kandidat von zwei Parteien, die sich nicht immer grün sind. Außerdem wird er nicht lange verleugnen können, dass er ein extrem Konservativer ist. Er wird seine wahre Natur zeigen. Es wird sich weisen, dass Zitate wie das von der durchrassten Gesellschaft nicht zufällig aus seinem Munde kamen. Und er ist unseriös. Wenn jemand kurz nach seiner Nominierung ein Programm für den Osten von 20 Milliarden Euro verspricht, wo jeder weiß, dass dafür das Geld nicht da ist, dann kann ich dafür kein anderes Wort finden.

SZ: Was bedeutet Kandidat Stoiber für das Zuwanderungsgesetz?

Struck: Da wird sich entscheiden, ob er nur Kreide gefressen hat. Die Gretchenfrage stellt sich bei Herrn Stoiber im Bundesrat am 1. März – wie verhält er sich dann zu unserem Gesetz?

SZ: Ihr Tipp?

Struck: Ich fürchte, dass Stoiber bei seiner Ablehnung bleiben wird. Schlecht fürs Land, aber auch schlecht für ihn. Denn wir stehen mit allen gesellschaftlich relevanten Gruppen für das Gesetz – er alleine dagegen.

SZ: Die Angst vor Zuwanderung bei 4,3 Millionen Arbeitslosen treibt doch auch ihre Wähler um.

Struck: Deshalb ist es ein Gesetz zur Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung. Aber es wird keine Zuwanderung zu Lasten von Arbeitsuchenden geben, sondern nur im Bereich der Hochqualifizierten, bei denen wir uns in einem Wettlauf mit allen anderen Industrienationen befinden.

SZ: Haben Sie am letzten Sonntag den Polit-Talk gesehen, in dem Sie oft sind?

Struck: Ich gucke mir das nie an.

SZ: Da hat Oskar Lafontaine zur Zuwanderung das Gleiche gesagt wie Edmund Stoiber oder Günther Beckstein.

Struck: Sie sollten nicht so viel fernsehen am Wochenende.