SPD

Ortsverein Eickel

27.01. Gedenktag
Gedenktag Nationalsozialismus

Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Bürgerinnen und Bürger von Eickel,
der SPD-Ortsverein Eickel lädt seine Mitglieder und die Bürgerinnen und Bürger von Eickel zur Teilnahme an dem

Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus

am Samstag, 27. Januar 2007,
um 12:30 Uhr im

Sud- und Treberhaus
Bürgerzentrum Eickel
,
Bürgersaal im 1. OG.,
Eickeler Markt 1,
44651 Herne
Oberbürgermeister Horst Schiereck

Oberbürgermeister
Horst Schiereck

Oberbürgermeister Horst Schiereck gedenkt wie schon in den Vorjahren der aus rassistischen Gründen Verfolgten des Nationalsozialismus.

Inzwischen haben sich Herner Schulen mit diesem Projekt befasst. Zwei Ergebnisse dieser Arbeit werden vorgestellt. Eine Gedenktafel ist dem Kaufmann Sally Baum gewidmet, der am Eickeler Markt ein bekanntes Kaufhaus führte.

Ralf Piorr und Liesel Spencer

Ralf Piorr und Liesel Spencer

Eine weitere Tafel - von der Arbeitsgemeinschaft der Erich-Fried-Gesamtschule erstellt - erinnert an die Eheleute Kaufmann, die aus Röhlinghausen stammten und von den Nazis verschleppt und ermordet wurden. Die Tochter Liesel Kaufmann, heute verheiratete Spencer, konnte entkommen und über England in die USA flüchten. Sie wird als Zeitzeugin teilnehmen und von ihren Erinnerungen berichten.

Der Herner Historiker und Autor Ralf Piorr widmet Liesel Spencer ein ganzes Kapitel in Nahtstellen, fühlbar, hier seinem Buch zur Geschichte der Juden in Herne und Wanne-Eickel (Klartext-Verlag Essen, 2002). Piorr hat Liesel Spencer 2000 in Matawan interviewt und begleitet sie bei ihrem Besuch in Herne.

fArbeitsgemeinschaft der Erich-Fried-Gesamtschule

Arbeitsgemeinschaft der Erich-Fried-Gesamtschule

Sally Baum, Eickeler Markt 6

Sally Baum, Eickeler Markt 6

Familie Kaufmann, Edmund-Weber-Straße 173

Familie Kaufmann, Edmund-Weber-Straße 173

Bis dahin verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

Elisabeth Majchrzak-Frensel
  (Ortsvereinsvorsitzende)

Wege der Erinnerung
WAZ vom 27. Januar 2007, Ute Eickenbusch

1923 wurde die Jüdin Liesel Kaufmann in Röhlinghausen geboren, 1939 musste das Mädchen ohne seine Eltern vor den Nazis fliehen.

Jetzt lebt sie als Liesel Spencer in den USA. Zur Übergabe einer Gedenktafel ist die 83-Jährige noch mal in ihre alte Heimat gekommen

Liesel Spencer wird ihre Geschichte viele Male erzählt haben. Es ist die Geschichte des jüdischen Mädchens Liesel Kaufmann, das 1923 in Röhlinghausen geboren wurde, wo seine Eltern ein Lebensmittelgeschäft besaßen. Mit Erstarken der Nationalsozialisten gerieten die Kaufmanns unter wachsenden Druck. Ausreisen konnten sie nicht mehr, so schickten die Eltern die Tochter und den Sohn Werner 1939 nach England. Liesel hat sie danach nicht wieder gesehen. Arthur und Julie Kaufmann starben fünf Jahre später im Konzentrationslager Stutthof.

Heute ist Liesel Spencer eine kleine, sehr lebendige Dame von 83 Jahren. Am Mittwoch hat sie sich in Newark/New Jersey mit ihrer Tochter Madeleine Bonomo und ihrem Sohn Allen Spencer ins Flugzeug nach Frankfurt gesetzt, um in ihrer Heimatstadt dabei zu sein, wenn eine Gedenktafel zu Ehren ihrer Eltern übergeben wird. Sie soll, wie sieben Tafeln an anderen Erinnerungsorten, in Röhlinghausen Spuren jüdischen Lebens nachzeichnen. Eine Arbeitsgemeinschaft der Erich-Fried-Gesamtschule hat sie erstellt. Die Schüler haben mich gebeten, bei der Übergabe dabei zu sein, erzählt Liesel Spencer. Erst konnte ich mich nicht entschließen. Als dann aber noch ein sehr lieber Brief vom Oberbürgermeister kam mit einer Einladung, sagte sie zu. Und fuhr mit einem sehr guten Gefühl.

Ich fühle mich geehrt, sagt Liesel Spencer, dass ihre Familie auf diese Weise gewürdigt werde. Für mich ist das sehr aufregend, ein Anlass, noch einmal an die Orte ihrer Kindheit zurückzukehren, und ihren Kindern, die noch nie in Deutschland waren, zu zeigen, wo das Elternhaus gestanden hat, an der früheren Bochumer Straße 173, heute Edmund-Weber-Straße.

Sie war schon einmal da, 1975 mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann Eric Spencer, einem Wiener Juden, den sie in England kennen gelernt und geheiratet hatte. Ein aufwühlendes Erlebnis, traf sie doch einen der Söhne der Nachbarn wieder, die als einzige die Kaufmanns in schweren Zeiten unterstützt hatten. Die Familie Lohmann hatte unter anderem den Verlobungsring von Julie Kaufmann und ihr Verlobungsgeschenk an den Ehemann, eine mit einem Diamant und einer Perle besetzte Krawattennadel, aufbewahrt. Den Schmuck und ein goldenes 10-Mark-St��������������ck gab Frau Lohmann Liesel vor ihrer Abreise nach England in ein Taschentuch gewickelt in die Hand. Die 16-Jährige nahm die Stücke mit auf die Reise - den Ring in einem Käsebrötchen, die Krawattennadel in einer Banane und die 10 Mark in einer Dose Nivea-Creme.

So gab es nur einen Gedanken, als Liesel beim ersten Besuch mit ihrem Mann in Röhlinghausen das Praxisschild Dr. Lohmann entdeckte: Da muss ich reingehen. Das Wiedersehen war überwältigend, noch in ihrem Beisein rief der Arzt seine Schwester Hetty an, Liesels Freundin aus der Kinderzeit. Die beiden Frauen hielten engen Kontakt bis zu Hettys Tod im Jahr 2000.

Liesel Spencer hat viele Freunde und Bekannte in aller Welt, mit einigen spricht sie noch Deutsch. Die Eheleute untereinander - sie wanderten 1952 nach York aus - redeten dagegen Englisch miteinander. Damit wuchsen auch Tochter und Sohn auf, die in der Sprache ihrer Mutter zumindest noch Gesprächen folgen können. Wie ihre Kinder, sechs Enkel und fünf Urenkel versteht sich Liesel Spencer als Amerikanerin: Das Land ist sehr gut zu uns.

Heute lebt sie bei guter Gesundheit in Matawan New Jersey. Den jüdischen Glauben hat sie beibehalten, wenngleich es ihr anfangs schwerfiel. Wir dachten immer, wir wären auserwählt, aber wir waren auserwählt für das Leiden. Als Mitglied der reformierten Gemeinde ist sie ins jüdische Leben eingebunden, nicht so eng allerdings wie ihre Eltern, die z.B. streng koscher aßen. Wenn man gut ist, spielt es keine Rolle, welcher Religion man angehört, ist sie überzeugt. In der Gemeinde, in Schulen und im örtlichen Holocaust Center hält sie als Zeitzeugin die Erinnerung an die Judenverfolgung wach. Indem sie ihre Geschichte erzählt, immer wieder.

Ein Beispiel für den Widerstand
WAZ vom 27. Januar 2007, geo

Herner Karl Schurstein wurde 1942 von den Nazis umgebracht. Seine Geschichte wird in der Broschüre 12 Jahre- 12 Schicksale erzählt. Grußwort vom Ministerpräsidenten

12 Jahre - 12 Schicksale heißt eine vom Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen herausgegebene Broschüre. Sie beschreibt Leid und Leiden der Zeugen Jehovas, darunter das des Herners Karl Schurstein, der 1942 von den Nazis vergast wurde.

Schurstein, 1896 geboren, hatte die Untergrundtätigkeit der Gemeinschaft organisiert, die als religiöse Minderheit seinerzeit grausam verfolgt wurde. Der gelernte Mechaniker verlor im I. Weltkrieg ein Bein, konnte nicht mehr in seinem Beruf arbeiten und bezog lediglich eine kleine Invalidenrente. Anfang der 1920er Jahre schloss sich der Herner, der mit seiner Frau Sophie drei Kinder hatte, den Bibelforschern an. Nach dem Verbot der Glaubensgemeinschaft ging er als reisender Prediger für den Bereich Westfalen-Lippe in den Untergrund, wobei er sich als Vertreter für Seifen- und Friseurartikel tarnte. 1934 kam es zur ersten Verhaftung. Weitere Stationen des Grauens waren die KZ Buchenwald und Sachsenhausen. In zusätzliche Lebensgefahr brachte sich Karl Schurstein, indem er den Wachtturm in seinem Holzbein versteckte und ihn auf diese Weise ins Lager transportierte. Im August 1940 kam er ins KZ Dachau. Trotz seiner körperlichen Behinderung bewältigte er die enormen Belastungen des Lageralltags eineinhalb Jahre lang. Am 26. Februar 1942 brachte man ihn aus Dachau in das Schloss Hartheim bei Linz/Österreich, wo er noch am selben Tag vergast wurde.

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat ein Grußwort zu der Broschüre beigetragen. Darin heißt es: Möge die Authentizität der hier geschilderten, beeindruckenden Schicksale aus zwölf Städten Nordrhein-Westfalens dazu beitragen, an den persönlichen und organisierten Widerstand aus christlicher Überzeugung der NS-Opfergruppe der Zeugen Jehovas zu erinnern und die Opfer so vor dem Vergessen zu bewahren. Und Michael Krenzer, einer der Autoren des Werkes, hat der Hernerin Hannelore Sander, einer Tochter Karl Schursteins, in Anlehnung an die Worte Rüttgers´ ihr ganz persönliches Exemplar überreicht.