SPD

Ortsverein Eickel

24.04. Grundsatzprogramm
Grundsatzprogramm

Das Jahr 2006 wird auch das Jahr der Programmdiskussion und der Neuausrichtung werden, sowohl in der SPD NRW als auch in der Bundes-SPD. Wo liegen die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Ziele der SPD-Politik? Sind diese auch für die Menschen zu erkennen?

Sind wir als Partei wählbar? Welche Politik ist für die Menschen wichtig? Sprechen wir die Menschen an? Warum herrscht Politikmüdigkeit? Warum Parteiverdrossenheit?

Dazu bestehen auch Foren auf SPIEGEL-ONLINE
Was wird aus der SPD?
http://forum.spiegel.de/showthread.php?t=396

Aber ehe wir in die Zukunft blicken, sollten wir uns fragen: Wo kommen wir her?

Die älteste Volkspartei

Die SPD ist die älteste Volkspartei Deutschlands. Ihre Wurzeln reichen bis in die März-Revolution 1848/49 zurück. Vorläufer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ist der 1863 in Leipzig von Ferdinand Lasalle gegründete Allgemeine deutsche Arbeiterverein", der sich 1875 mit der Sozialdemokratischen Partei" von August Bebel und Wilhelm Liebknecht zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands" vereinigt.
Nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes gewinnt die Partei, seit 1890 heißt sie SPD, rasch Einfluss. Der Erste Weltkrieg treibt die jungen Linken in der Partei in den Widerstand und zur Gründung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD), die offen für eine schnelle Beendigung des Krieges eintritt. Nach der militärischen Niederlage arbeiten die Parteien in weiten Teilen wieder zusammen.
Als mit der Weltwirtschaftskrise die extremen Kräfte erstarken, erleichtert die anhaltende Spaltung der politischen Arbeiterbewegung - die Kommunistische Partei Deutschlands KPD hat den linken Flügel der USPD an sich gezogen - den Aufstieg von Adolf Hitler. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme, der sich die SPD zu widersetzen suchte, beginnt der Terror gegen die widerständischen politischen Kräfte.
Nach dem Krieg zwängt die KPD in der Ostzone die Sozialdemokraten in ein Parteibündnis und führt die SED ein. Mit dem 1959 verabschiedeten Godesberger Programm" wandelt sich die SPD im Westen von der reinen Arbeiter- und Weltanschauungspartei zur linken Volkspartei.
In den 80ern verliert die SPD einen Teil ihrer Jugend an die neuen Grünen. 2005 spaltet sich die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" ab und schließt sich mit der PDS zur Linkspartei zusammen.

Soziale Gerechtigkeit
für das 21. Jahrhundert.

Leitsätze auf dem Weg
zum neuen Grundsatzprogramm der SPD

Warum wir ein neues Grundsatzprogramm brauchen

  • Das gültige Grundsatzprogramm wurde im Dezember 1989 in Berlin beschlossen.
  • Wenige Wochen zuvor fiel die Mauer.
  • Unsere Welt ist im Umbruch.
  • Das Zusammenwachsen Europas hat neue Verhältnisse geschaffen.
  • Der Wandel unserer Wirtschaft verändert Arbeitswelt und Alltag.
  • Parteiprogramme sind Ausdruck ihrer Zeit.
  • Mit ihrem Godesberger Programm von 1959 wandelte sich die SPD von der Arbeiter- zur Volkspartei.
  • Mit ihrem Berliner Programm von 1989 nahm die Sozialdemokratie die Impulse der Neuen Sozialen Bewegungen auf.
  • Das erste Programm der SPD im 21. Jahrhundert muss wiederum neue Antworten geben: Auf die Herausforderungen der Europäisierung, der Globalisierung und des sozialen, demografischen und technischen Wandels.

Das Menschenbild der Sozialen Demokratie

  • Die gleiche Würde und die gleiche Freiheit aller Menschen bilden den Ausgangspunkt und das Ziel all unseres politischen Handelns.

Die Grundwerte der Sozialen Demokratie

  • Freiheit
  • Gerechtigkeit
  • Solidarität

Die Ziele der Sozialen Demokratie

  • Eine friedliche Weltordnung
  • Eine faire Globalisierung
  • Wohlstand und Beschäftigung
  • Generationensolidarität in einer kinderfreundlichen Gesellschaft
  • Die soziale Teilhabe aller
  • Ein nachhaltiger Fortschritt
  • Sicherheit und Orientierung im Wandel

Eine neue soziale Übereinkunft

Eine Gesellschaft der Freien und der Gleichen braucht eine Verständigung darüber, wie sie unterschiedliche Interessen zwischen gesellschaftlichen Gruppen und Generationen in Einklang bringt. Es geht bei der Übereinkunft um

  • eine Verständigung über die Fundamente unserer Gesellschaft und den Wandel ihrer Voraussetzungen;
  • die Stärkung der Demokratie und die gleichberechtigte Teilhabe aller an der Gesellschaft;
  • ein neues positives Bekenntnis zu unserem Staat und zu den Prinzipien des Grundgesetzes.

Eine neue soziale Übereinkunft muss drei zentrale Elemente umfassen:

  • Das neue Europa politisch stärken und sozial gestalten.
  • Fairer Wettbewerb und Innovation – Die Soziale Marktwirtschaft erneuern.
  • Ein neues Leitbild – Der vorsorgende Sozialstaat.

Das neue Europa politisch stärken und sozial gestalten

Wir wollen

  • das Verhältnis zwischen unserer Gesellschaft und der Europäischen Union neu bestimmen.
  • die sozialen Voraussetzungen für ein wirtschaftlich starkes Europa schaffen. Wir wollen europaweite Sozialstandards, eine Koordinierung der zentralen Steuersätze sowie gesetzliche Mindestlöhne.
  • dass Europa eine positive Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung gibt.
  • handlungsfähige europäische Institutionen und klare Entscheidungsregeln. Deshalb treten wir für eine europäische Verfassung ein.

Eine neue soziale Übereinkunft muss drei zentrale Elemente umfassen:

  • Das neue Europa politisch stärken und sozial gestalten.
  • Fairer Wettbewerb und Innovation – Die Soziale Marktwirtschaft erneuern.
  • Ein neues Leitbild – Der vorsorgende Sozialstaat.

Fairer Wettbewerb und Innovation:
Die Soziale Marktwirtschaft erneuern

Wir wollen

  • eine Übereinkunft über zwei unverzichtbare Voraussetzungen einer modernen Sozialen Marktwirtschaft: Wir wollen bessere Produkte und Dienstleistungen – nicht billigere Löhne. Und wir wollen langfristiges Wachstum – nicht kurzfristigen Profit.
  • eine Wirtschaftspolitik, die an den Werten und Zielen ausgerichtet ist, die von einer großen Mehrheit in unserer Gesellschaft geteilt werden: für nachhaltiges Wachstum, für hohe Beschäftigung, für gerecht verteilten Wohlstand.
  • eine innovative und wettbewerbsfähige Wirtschaft, die deutlich mehr in Bildung, Forschung und Infrastruktur investiert.
  • die Teilhabe der Arbeitnehmer am Haben und am Sagen. Darum bekennen wir uns ausdrücklich zu Tarifautonomie und Mitbestimmung.

Ein neues Leitbild:
Der vorsorgende Sozialstaat

Wir wollen

  • keinen abgemagerten, sondern einen besseren Sozialstaat. Unser Leitbild für das 21. Jahrhundert ist der vorsorgende Sozialstaat, der stärker als bislang in die Menschen und ihre Potenziale investiert.
  • den vorsorgenden Sozialstaat, der Beschäftigung fördert, auf Gesundheitsprävention setzt und Armut verhindert.
  • eine breitere Finanzierungsbasis des Sozialstaates, die sich weniger als bislang auf die Sozialversicherungsbeiträge stützt.
  • die Gleichstellung der Geschlechter in allen Lebensbereichen verwirklichen.
  • dass alle Menschen unabhängig von ihrem Erwerbsstatus am medizinischtechnischen Fortschritt beteiligt werden.
  • dass auch in Zukunft alle Menschen im Alter über ein ausreichendes Einkommen verfügen können.

Die SPD als linke Volkspartei

  • Wir sind die linke Volkspartei in Deutschland.
  • Wir sind Mitgliederpartei.
  • Wir sind Programm- und Wertepartei.
  • Wir führen unsere Programmdiskussion mit unserer Gesellschaft und für sie.
  • Wir stellen uns den großen Fragen, die sich unsere Gesellschaft stellt. Und wir wollen die Antworten im gesellschaftlichen Dialog entwickeln. Wir wollen ein neues gesellschaftliches Bündnis für eine Politik der sozialen Demokratie.

Grundsatzprogramm

Matthias Platzeck setzte erste Thesen zu einem neuen SPD-Grundsatzprogramm. Er wollte damit eine Debatte beschleunigen, die seit Jahren mehr verschleppt denn geführt wird. Zwar besteht kein Zweifel, dass das Berliner Programm von 1989 überholt ist, doch die Neuausrichtung der SPD scheiterte lange Zeit an lebhaften Flügelkämpfen und häufigen Führungswechseln.

 

Soziale Gerechtigkeit für das 21. Jahrhundert

Essay des SPD-Vorsitzenden und brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck im SPIEGEL 15/2006, entnommen aus:
http://www.spd.de/servlet/PB/menu/1053429/f1666469-e1666913.html

Die Vorgänge an der Berliner Rütli-Schule haben die Menschen in Deutschland aufgeschreckt. Plötzlich herrschen Entsetzen und Besorgnis über die neuen sozialen Spaltungen, die sich keineswegs nur in Berlin-Neukölln, sondern überall in unserer Gesellschaft auftun. Bei einigen konservativen Politikern haben die Ereignisse sogleich die üblichen gedankenlosen Reflexe ausgelöst. Vom Wegschließen, Rausschmeißen und Abschieben ist die Rede, ja sogar von der Einweisung Jugendlicher in den Schnupperknast.

Das alles hilft uns in Deutschland heute kein Stück weiter. Die richtige Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit werden wir nie und nimmer darin finden, die Spaltung unserer Gesellschaft in Gewinner und Verlierer, in Insider und Outsider nur noch mehr zu vertiefen. Die negativen Folgen von Ausschluss und Ausgrenzung, wie sie uns der Fall der Rütli-Schule beispielhaft vor Augen führt, beseitigen wir gerade nicht durch noch mehr Ausgrenzung der ohnehin Ausgegrenzten. Was unser Land heute zuallerletzt braucht, sind Rezepte, die sich längst als Teil des Problems erwiesen haben.

Wahr ist allerdings, dass uns die Berliner Vorgänge eindringlich zum Umsteuern auffordern. Deutschland ist ein Einwanderungsland, doch die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft und die Integrationsbereitschaft mancher, die nach Deutschland gekommen sind, weisen deutliche Defizite auf. Ausschluss und Selbstausschluss auf ethnischer Grundlage fördern das Auseinanderdriften der Gesellschaft in parallele Kulturen, die voneinander nur noch wenig wissen.

Kein Zweifel also, wir brauchen neue Antworten auf die Fragen der sozialen Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert – und wir Sozialdemokraten werden sie geben. Gerade deshalb wird sich unsere Diskussion über den Zusammenhalt der Gesellschaft nicht verengt auf die Integrationspolitik und ihre Mängeln beziehen. Die große Debatte, die wir führen müssen, handelt von der solidarischen Erneuerung unserer Gesellschaft insgesamt. Der dynamische Wandel der Wirtschaft verändert unsere Arbeitswelt und unsere Alltag, der demografische Umbruch verändert unsere Gesellschaft, Europa wächst zusammen. Das alles schafft neue Chancen und neue Risiken. Das alles erfordert neue Verständigung und neue Gestaltung, neue Orientierung und neue Sicherheiten.

Verfestigt sich die Spaltung unserer Gesellschaft in Gewinner und Verlierer dauerhaft, dann wird dies uns allen gemeinsam schaden – und schließlich selbst die vermeintlichen Gewinner in Verlierer verwandeln. Den fundamental veränderten Bedingungen unserer Zeit wird unser Land deshalb nur durch eine große gemeinschaftliche Anstrengung der Erneuerung gerecht. Deshalb brauchen wir in Deutschland eine neue Übereinkunft darüber, in welcher Gesellschaft wir im 21. Jahrhunderts gemeinsam leben wollen. Und wir brauchen die Übereinkunft darüber, unter welchen Bedingungen uns das gelingen kann. Genau an diesem neuen Gesellschaftsvertrag über Ziele und Mittel für unsere Gesellschaft fehlt es bis heute in Deutschland.

Uns Sozialdemokraten geht es um die Verständigung über die veränderten Grundlagen unserer Gesellschaft; um die Verständigung über das zeitgemäße Wechselverhältnis von Rechten und Pflichten, von Leistungen und Gegenleistungen, von Geben und Nehmen in unserem Land. Diese neue soziale Übereinkunft muss den Staat, die Bürgerinnen und Bürger, aber auch alle Gemeinschaften, Wirtschaft und Gewerkschaften, Vereine und Verbände einbeziehen. Notwendig ist ein auf gemeinsamen Zugewinn durch Zusammenarbeit ausgerichtetes Selbstverständnis unserer Gesellschaft und aller ihrer Akteure. Über die Inhalte dieser neuen sozialen Übereinkunft für unser Land suchen wir Sozialdemokraten die Debatte mit allen Bürgerinnen und Bürgern. Diese Verständigung wird ein wesentlicher Teil der Diskussion über das neue Grundsatzprogramm der SPD sein.

Der Sozialstaat wie wir ihn bislang kennen, wurde für die Wirklichkeit der national begrenzten Industriegesellschaft geschaffen, in der die Männer das Familieneinkommen erwirtschaften. Dieser Sozialstaat ist in erster Linie auf Transferleistungen ausgerichtet und verfolgt zu sehr nachsorgende Ziele. Er kümmert sich zu wenig darum, Krankheiten und Arbeitslosigkeit, Bildungsmangel, Ausschluss und Armut von vornherein zu verhindern. Er investiert zu wenig in die soziale Infrastruktur und leistet keinen hinreichenden Beitrag, um die aktive Teilhabe der Menschen am Leben der Gesellschaft zu unterstützen. Er fördert die Menschen zu wenig und setzt Fehlanreize. Er ist gemessen an seinen Ergebnissen zu teuer, seine Finanzierungsbasis ist brüchig und ungerecht geworden.

Die neuen sozialen Fragen, vor allem die Bekämpfung von Armut und Ausschluss, lassen sich mit dem Sozialstaat alter Prägung nicht bewältigen. Wir wollen keinen abgemagerten Sozialstaat, sondern einen besseren. Das zentrale Element einer neuen Übereinkunft für Deutschland muss deshalb ein erneuertes und positives Leitbild der sozialen Gerechtigkeit für das 21. Jahrhundert sein. Unser Leitmotiv ist der vorsorgende Sozialstaat, der weitaus stärker als das bisherige Sozialstaatsmodell in die Menschen und ihre Potenziale investiert.

Willy Brandt wusste: Nichts kommt von selbst. Die erfolgreiche Erneuerung unseres Landes hat Voraussetzungen. Soziale Gerechtigkeit und größere Lebenschancen für mehr Menschen erreichen wir unter fundamental veränderten Bedingungen nicht mehr mit den alten Instrumenten. Aus meiner Sicht muss die neue Übereinkunft für Deutschland besonders auf der Einsicht in zehn zentrale Zusammenhänge gründen:

  • Wenn den Menschen im 21. Jahrhundert mehr Flexibilität abverlangt wird, weil eine dynamische und wettbewerbsfähige Wirtschaft anders nicht möglich ist, dann müssen sie sich im Gegenzug auf erneuerte Formen von sozialer Sicherheit, auf zeitgemäße Bildung und Aktivierung verlassen können.
  • Wenn wir in Zukunft in unserem Land einen hohen Wohlstand erhalten wollen, dann brauchen wir deutlich mehr öffentliche Investitionen in soziale Dienstleistungen, in Bildung und Wissen, in Innovation und Infrastruktur.
  • Wenn wir in Deutschland im 21. Jahrhundert wirtschaftlich erfolgreich sein wollen, dann müssen wir auf hervorragende Produkte und Dienstleistungen setzen statt auf billige Löhne, auf langfristiges Wachstum statt auf kurzfristigen Profit.
  • Wenn wir uns im Prozess der Globalisierung behaupten wollen, dann müssen wir Europa als gemeinsame positive Antwort auf die neuen Herausforderungen begreifen und entsprechend organisieren.
  • Wenn wir wollen, dass die Globalisierung den Wohlstand nachhaltig vergrößert und mehr Beschäftigung ermöglicht, dann muss sie im Interesse der Menschen mit fairen Regeln ausgestaltet werden.
  • Wenn wir die Gleichberechtigung der Geschlechter anstreben, dann muss für Frauen und Männer die volle Vereinbarkeit von Beruf und Familie sichergestellt werden.
  • Wenn wir uns den demografischen Umbrüchen der kommenden Jahrzehnte gewachsen erweisen wollen, dann müssen wir die Bedingungen dafür schaffen, dass in Deutschland wieder mehr Kinder geboren werden und kein geborenes Kind vernachlässigt wird.
  • Wenn der Staat unter veränderten Bedingungen seine Leistungsfähigkeit und Legitimität bewahren soll, dann muss er für alle Bürger jederzeit als Partner an ihrer Seite erfahrbar sein.
  • Wenn wir im 21. Jahrhundert auf die Steigerung des Wachstums setzen, dann muss klar sein, dass dies nur auf der Basis der nachhaltigen Verwendung von Ressourcen zu verantworten sein wird.
  • Wenn wir wollen, dass Deutschland im 21. Jahrhundert als offene, lebendige und kulturell vielfältige Gesellschaft erfolgreich sein soll, dann müssen alle Gruppen das Grundgesetz und die ihm zugrunde liegenden Prinzipien akzeptieren.

In unserem Land stecken weit größere produktive Potentiale, als viele glauben. Deshalb müssen wir die Soziale Marktwirtschaft erneuern, statt mit ihr zu brechen. Es ist der Irrtum der Konservativen und Marktradikalen, dass die Menschen in Deutschland den Sozialstaat ablehnen. Das Gegenteil ist richtig. Aber völlig zu Recht erwarten sie einen besseren, einen handlungsfähigen und zupackenden Sozialstaat, der sich an der neuen Wirklichkeit unserer Zeit orientiert, die sie in Beruf und Alltag erleben. Darum müssen wir unseren Sozialstaat erneuern, bevor er von denen einseitig aufgekündigt wird, die meinen, sie könnten ganz auf ihn verzichten.

Der vorsorgende Sozialstaat für das 21. Jahrhundert investiert in die Menschen und ihre Fähigkeiten. Er fördert Beschäftigung, setzt auf Gesundheitsprävention und verhindert Armut. Er gestaltet den demografischen Wandel mit den Betroffenen und er erkennt die existentielle Bedeutung von Bildung für die einzelnen Menschen wie auch für die Zukunft unserer Gesellschaft an. Er ist Partner, nicht Verwalter der Menschen. Er macht Angebote, um ihre Stärken zu entwickeln. Er aktiviert die Menschen, damit sie ihr Leben in eigener Verantwortung gestalten können. Der vorsorgende Sozialstaat ist nicht Wachstumshindernis, sondern wirtschaftliche Produktivkraft; er muss dafür anders, weniger als bislang durch Sozialversicherungsbeiträge finanziert werden.

So weit sind wir in Deutschland noch nicht, die aktuellen Vorfälle in der Rütli-Schule haben das drastisch belegt. Dass es besser geht, machen uns vor allem die nordischen Länder vor. Dem Fatalismus und der Politik der Angst in Deutschland setzen wir Sozialdemokraten deshalb eine wertbegründete Politik der Zuversicht entgegen. Der Weg zu einer neuen Übereinkunft für unsere Gesellschaft ist kartiert – wir müssen ihn nur gehen. So werden wir zugleich die großen Grundwerte der SPD – Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität – für das 21. Jahrhundert mit neuem Leben erfüllen und die Sozialdemokratie zur aktiven Kraft der Erneuerung in Deutschland machen.

 

In der WAZ vom 10.04.2006 kommentierte Christina Wandt:
Dazu justiert Platzeck die sozialdemokratischen Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität neu. Als linke Volkspartei und Partei der solidarischen Mitte grenzt er die SPD sowohl gegen die unredlichen Freiheitsversprechen der Neoliberalen ab als auch gegen die Linkspopulisten, denen er vorwirft, die Realität nicht zur Kenntnis zu nehmen.
Platzeck verspricht, die SPD wolle keinen abgemagerten Sozialstaat, sondern einen besseren. In Abgrenzung von Vater Staat spricht er von einem Staat, der Partner ist und die Menschen nicht verwaltet, sondern aktiviert, damit sie ein Leben in eigener Verantwortung führen können. Leitmotiv müsse der vorsorgende Sozialstaat sein, der in die Menschen und ihre Potenziale investiere, der Beschäftigung fördere, Bildung groß schreibe, Armut verhindere und auf Gesundheitsprävention setze. Im Umkehrschluss heißt das freilich, dass diejenigen, die arm, krank oder ungebildet sind, vom Staat künftig weniger zu erwarten haben. Der vorsorgende Staat à la Platzeck ist kein fürsorglicher Staat.

Der Fahrplan zum Programm

Die neue SPD ist die alte - diese Botschaft verbreitet der künftige Parteichef Kurt Beck in jedes Mikrofon. Platzecks Reformkurs soll fortgesetzt werden.

Die Debatte um das neue SPD-Grundsatzprogramm ist eröffnet. Am 24. April stellte der designierte Parteivorsitzende, der rheinlandpfälzische Ministerpräsident, Kurt Beck, Leitsätze auf dem Weg zu einem neuen Grundsatzprogramm vor. Es gehe darum, die Diskussion zu eröffnen und den Dialog mit den Menschen in Deutschland einzuleiten, sagte Beck bei der Auftaktveranstaltung in Berlin und gab erste Diskussions-Impulse.

Die 12.500 Ortsvereine werden in einer Fülle von Veranstaltungen die Antwort auf die Frage suchen, wie unsere Gesellschaft in Zukunft aussehen soll. Wie können die sozialdemokratischen Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität im 21. Jahrhundert in konkrete Politik übersetzt werden? In Werkstattgesprächen, Programm-Foren, Podiumsdiskussionen und Lesekreisen stellt sich die SPD den Fragen, die auch weite Teile der Gesellschaft bewegen.

Unser Fahrplan zum neuen Grundsatzprogramm sieht zwei große Etappen vor.

Dialogphase 1: Mai 2006 bis Januar 2007

Im Laufes Jahres 2006 sind die Leitsätze die Grundlage der Diskussion. Sie dienen dazu, offene Fragen zu klären und ergänzende Impulse aufzunehmen. Die Ergebnisse sollen bis Ende 2007 in einen Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm münden, der von der Programmkommission des SPD-Parteivorstands erarbeitet wird.

Dialogphase 2: Januar bis Herbst 2007

Zu Beginn des Jahres 2007 wird der Parteivorstand einen Programmentwurf beschließen, der wiederum der Partei und der Öffentlichkeit zur Diskussion vorgelegt wird. Im Herbst 2007 soll der ordentliche Bundesparteitag der SPD das Programm endgültig beschließen.

Rede von Kurt Beck auf der Veranstaltung
Kraft der Erneuerung
Auf dem Weg zu einem neuen Grundsatzprogramm

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Kraft der Erneuerung.
Soziale Gerechtigkeit für das 21. Jahrhundert.
Leitsätze auf dem Weg zum neuen Grundsatzprogramm der SPD
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