SPD

Ortsverein Eickel

27.01. Gedenktag
Gedenktag für rassistisch Verfolgte

Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Bürgerinnen und Bürger von Eickel,
der SPD-Ortsverein Eickel lädt seine Mitglieder und die Bürgerinnen und Bürger von Eickel zur Teilnahme an dem

Kranz der Stadt Herne

Gedenktag für die rassistisch Verfolgten

am Sonntag, 27. Januar 2003,
um 12:45 Uhr

am Gedenkstein Eickeler Sportpark.

Mit der Niederlegungen von Kränzen an den Gedenksteinen für die ehemaligen Synagogen in Herne (Hermann-Löns-Straße / Schaeferstraße) und in Wanne-Eickel (im Sportpark / Hauptstraße) gedenkt Oberbürgermeister Wolfgang Becker wie schon in den Vorjahren der aus rassistischen Gründen Verfolgten des Nationalsozialismus. Wolfgang Becker: "1.689 Tage lang wurden dort Menschen gequält, gefoltert, 1,5 Millionen von ihnen umgebracht." Das Gedenken müsse einhergehen mit dem "inneren Versprechen, dafür Sorge zu tragen, dass es nie wieder geschieht".

Bis dahin verbleibe ich mit freundlichen Grüßen

Elisabeth Majchrzak-Frensel
  (Ortsvereinsvorsitzende)

Politische Diskussion zu beats against fascism
WAZ vom 07. Oktober 2002, sum

Eigentlich sollte es ein Open-Air-Event werden - wegen trüben Regenwetters verlegte man die Veranstaltung kurzerhand nach drinnen: Im Wanner Jugendzentrum Heisterkamp lauschte man am Samstag den Beats against fascism.

Fünf Bands sorgten von ca. 17 bis 22 Uhr auf der Bühne im ersten Stock des Heisterkamp für Punk-Sound mit politischer Botschaft. Neben der Lokalformation Den Umständen entsprechend, stand auch das Bochumer Hummelgesicht sowie die Bands Die Kafkas, Slup und Psycho Gambola auf der Bühne. Eingeleitet wurde der Veranstaltungsabend der Herner Antifa mit einem Dia-Vortrag zum Thema der militanten Neonaziszene in Nordrhein-Westfalen.

Dass es auch in Herne eine rechtsradikale Szene gibt, steht für die Antifa-Mitglieder genauso fest, wie die Tatsache, dass man etwas dagegen tun muss. Der Erfolg der letztjährigen Veranstaltung und der Wanner Auftritt der rechtsradikalen Band Oidoxie im Juni diesen Jahres motivierten die Jugendlichen zu diesem Event.

Es geht darum, Bürger anzusprechen und für rechte Gewalt zu sensibilisieren, erklärt ein Mitglied der Antifa. An zwei Informations- und Verkaufsständen fanden sich neben T-Shirts vor allem Literatur zum Thema neofaschistische Gewalt.

Dass es an diesem Abend gewaltfrei zu ging, erleichterte die Jugendlichen sehr. Die Angst vor rechtsradikalen Übergriffen auf Antifa-Veranstaltungen schwingt immer mit. Dennoch wollen sie sich weiterhin engagieren, zum Beispiel mit dem Antifa-Cafe, das jeden zweiten Mittwoch ab 18 Uhr im Heinz-Westphal-Haus an der Dorstener Straße allen Interessierten die Möglichkeit zur Diskussion bieten soll.

Ralf Piorr: Leider sehe ich mich gezwungen, mich jeder Rückäußerung zu enthalten. Der Gedenkstein für die jüdische Gemeinde in Wanne-Eickel.
Auszug aus dem Buch: Piorr, Ralf (Hrsg.): Nahtstellen, fühlbar, hier ....
Zur Geschichte der Juden in Herne und Wanne-Eickel.
Essen: Klartext, 2002, ISBN: 3-89861-101-9, S. 238-243, hier S. 241 ff

(...) Die Realisierung: 1976
Endlich sahen sich die Stadtverwaltung und die politischen Gremien im Zugzwang - vielleicht auch dadurch bedingt, dass mit einem Bürgermeister Robert Brauner, der als Sozialdemokrat selbst zu den Verfolgten des NS-Regimes gehörte, das politische Interesse an der Realisierung der Gedenktafel stärker war. Im März 1976 wurde in einer erneuten Verwaltungsvorlage gefordert, so schnell wie möglich das gewünschte Mahnmal zu errichten. Die konkrete Umsetzung wurde mit dem Landesrabbiner und via Post mit Julius Leeser abgesprochen. Als Standort wurde die Ecke Langekampstraße/Hauptstraße im Sportpark Wanne-Süd gewählt, etwa 700 Meter von dem Platz der einstigen Synagoge entfernt. Allerdings sah sich die Stadt aus finanziellen Gründen nicht mehr in der Lage, wie fünf Jahre zuvor geplant, drei Überlebende der einstigen Wanner Gemeinde zur Einweihung einzuladen. Sie fand sich nur bereit, für Leeser die Reisekosten und die Kosten eines zweitägigen Aufenthaltes in Herne zu übernehmen. Leeser, mittlerweile 92 Jahre alt, verwies auf sein hohes Alter und seinen schlechten Gesundheitszustand, und schließlich wurde auch Dr. Kurt Meyerowitz, der ebenfalls aus Wanne-Eickel stammte, als Begleitperson eingeladen. Nach über fünf Jahren Verhandlungen, nach ignoranten bürokratischen und politischen Verzögerungen fand das Wanne-Eickeler Trauerspiel um die jüdischen Gedächtnistafel ein Ende. Am 19. September 1976 wurde das Mahnmal in Anwesenheit des Landesrabbiners Emil Davidovic, des Bürgermeisters Robert Brauner und anderer gesellschaftlicher Vertreter eingeweiht. Dr. Julius Leeser, der 92jährige Arzt aus Jerusalem, hielt die Einweihungsrede, in der nichts von verständlicher Bitterkeit über die städtische Arroganz der letzten Jahre zu spüren war. Es war eine traurige Rede, die durchdrungen war vom Willen zur würdigen Erinnerung.

Zu dieser uns bewegenden Gedenkfeier bin ich seit langen Jahren wieder in die Stadt gekommen, in der ich der letzte Vorstand der Jüdischen Kultusgemeinde war, bevor die schreckliche Zeit begann, die eine Gemeinde von Hunderten von Mitgliedern zerstörte, einen großen Teil von ihnen tötete, und die Überlebenden in alle Winde zerstreute. Ich kannte persönlich jedes Kind und jeden Greis dieser Gemeinde, und alle, deren Gedenken ab heute durch dieses Mahnmal geehrt wird, standen mir nahe.
Wie es aus dem Buche des Postbeamten Hegler Entwicklung von Wanne-Eickel hervorgeht, gehörten meine Vorfahren zu den ersten jüdischen Mitbürgern der damaligen kleinen Ortschaft Eickel Ich betrachte es daher als eine seltsame Fügung, daß ich heute als Überlebender hier stehe, nachdem drei Brüder und eine Schwester umgekommen sind. Ich möchte dem Ältestenrat der Stadt Herne und besonders allen direkt daran beteiligten Herren der Stadt danken, daß sie diesen Schritt unternahmen, um der jüdischen Opfer einer unheimlichen Zeit würdig zu gedenken. In meinen alten Tagen denke ich nicht mehr an Haß und Vergeltung. (...)
Die einst wehrlosen jüdischen Mitbürger ihrer Gastländer halfen mit, ihren eigenen Staat, den Staat Israel aufzubauen, in welchem sie beweisen, daß sie sich zu wehren wissen. (...) Gerade weil wir leben und unseren Weggehen können, weil wir mit viel schwerer Mühe und Arbeit, ohne Geld in einer fremden Welt, mit neuer Sprache, unter schwersten Lebensbedingungen, von der Umwelt angefeindet, ein neues Leben aufbauen konnten, schlägt unser Herz heiß für die Opfer, die die Gewaltherrschaft forderte, und die unser neues, freies Sein nicht miterleben konnten. (...) Verehrte Anwesende, dieses Mal sei Mahner der Vergangenheit und für die Zukunft ein Wegweiser zu Friede, Verständnis und Versöhnung! In diesem Sinne bitte ich Sie, mit mir eine Minute in Schweigen und Gebet der Dahingegangenen zu gedenken.

Für Julius Leeser war die Einweihung der Gedenktafel ein letzter Höhepunkt seines Lebens. Sein in Wanne-Eickel geborener Sohn Helmut, der heute als Hai Leeser in Vineland, New Jersey, lebt, erinnert sich daran, dass es sein Vater als seine moralische Verantwortung und Ehrenpflicht angesehen hatte, den Opfern seiner Gemeinde zu gedenken.
Nach Kriegsende mussten über dreißig Jahre vergehen, bis ein alter Mann die Stadt Wanne-Eickel in einem über fünf Jahre währenden Prozess dazu veranlassen konnte, sich ihrer zerstörten jüdischen Gemeinde und den Opfern der Shoah zu erinnern. Heute, ein Vierteljahrhundert später, wirkt selbst die Installation der Gedenktafel nicht mehr als ein Akt der öffentlichen Erinnerung, sondern eher als ein Schritt des offenkundigen Vergessens. Die Gedenkstätte im Sportpark Wanne-Süd befindet sich in einem schlechten Zustand und selbst den im Park Flanierenden erschließt sich ihre Botschaft nur schwer: Die Bronzeplatte ist durch Witterungseinflüsse schwarz angelaufen und die aufgesetzten Buchstaben sind kaum noch lesbar. Der Gedenkstein scheint dort zu stehen, damit man bei Anfragen mit einem guten Gewissen auf ihn verweisen kann. Die Toten, an deren Leben die Gedenkstätte doch zu erinnern versucht, werden in Wanne-Eickel offensichtlich von niemandem mehr vermisst.